Eine Learning Journey stellte die Reise in die USA und die Konferenzteilnahme von Frontiers in Education und Learning with MOOCs dar. Marco Winzker berichtet vom Einsatz von Virtual-Reality im Bereich von Diversity Management, Cloudsoftware für Hochschulen und prognostiziert einen Wandel im Bildungswesen durch MOOCs. Bei seinem Aufenthalt in Chicago erlebt Winzker die Zukunft der Digitalsierung des Alltags.
Es ist alles eine Sache der Perspektive. Bild: Brooke Coley, Arizona State University
Ist es Zufall oder liegt es am Thema? Im Oktober 2019 waren die #EdExperts, eine deutsch-amerikanische Hochschulreisegruppe auf Exkursion in den USA. Susanne Staude berichtet in ihrem Blogbeitrag. Ich war kurz danach auch in den USA und habe an zwei Konferenzen teilgenommen, die sich ebenfalls mit Hochschullehre und Digitalisierung beschäftigen.
Reiseroute
Zunächst war ich auf der Frontiers in Education in Cincinnati, einer recht große Konferenz mit rund 500 Teilnehmer/innen. Dort habe ich Evaluationsergebnisse zu unserem Remote-Labor präsentiert. Danach ging es zur Learning with MOOCs nach Milwaukee, kleiner mit rund 100 Teilnehmer/innen und thematisch auf Massive Open Online Courses fokussiert. Beide Konferenzen wurden vom IEEE organisiert, dem weltweit tätigen Ingenieurverband „Institute of Electrical and Electronics Engineers“. Dazwischen war noch Zeit für einen Stopp in Chicago, der auch seine Bedeutung hatte, doch dazu später.
Ich habe meine Beobachtungen nach Themen und nicht chronologisch geordnet.
Marco Winzker ändert seinen Blickwinkel durch VR. Bild: Brooke Coley, Arizona State University
Bisher hatte ich eher Machbarkeitsdemonstrationen gesehen, aber jetzt konnte ich eine überzeugende didaktische Anwendung für Virtual Reality ausprobieren. Thema war Diskriminierung und mittels VR-Brille konnte ich als weißer Mann in den Körper einer schwarzen Frau schlüpfen, was durch Blick auf die Hände und in den Spiegel sichtbar war. In der VR-Anwendung habe ich mich auf eine Doktorandenstelle bei einem jungen, weißen Professor beworben, der mich wegen meines Bildungshintergrunds ablehnt.
Durch den First-Person-View war dies eine überraschend intensive Erfahrung, durch die man Diskriminierung sehr gut nachvollziehen und emotional erfahren kann. In der Lehre vermittelt diese Anwendung Erfahrungen für den Bereich Diversity Management. Durch das intensive Erleben scheint mir allerdings auch eine anschließende Reflexion und Einordnung sinnvoll.
Auf den Konferenzen wurden Systeme vorgestellt, bei der Hochschulen auf Infrastruktur in der Cloud zugreifen.
In der Industrie gibt es schon lange den Grundsatz „Make or Buy“ und ich denke, auch Hochschulen sollten verstärkt überlegen, ob sie eine Leistung selber erzeugen oder auf externe Lösungen zurückgreifen. Ein Argument ist dabei sicher auch die Schwierigkeit, IT-Fachkräfte zu finden.
Sind MOOCs schon tot? Oder werden sie die Hochschulstrukturen revolutionieren? Susanne Staude schreibt: „[MOOCs] did not turn out to be as system-changing as we thought”
Mein Eindruck ist, MOOCs sind quicklebendig und werden langsam aber sicher einen Wandel im Bildungssystem bewirken. Stichworte, die ich dazu oft gehört habe, sind Upskilling, Badging und Monetization.
Das ist natürlich eine recht amerikanische Sicht der Dinge, die nicht so ganz zum deutschen Bildungsauftrag der Hochschulen passt. Aber irgendwie gefällt mir diese pragmatische Einstellung. Und die Zahlen für 2018 unterstreichen ebenfalls die Bedeutung: Laut ClassCentral machten die vier größten MOOC-Anbieter rund 300 Millionen Dollar Gewinn.
Nutzungsumsatz von MOOCs 2018. Bild: [https://www.classcentral.com/report/mooc-stats-2019/ Class Central]
Ich sehe die erste Herausforderung für Master-Studiengänge. Ich kann es am besten für Hochschulen für Angewandte Wissenschaften einschätzen und dort sind Bachelor-Absolventen momentan in der Industrie heiß begehrt. Warum soll eine Studentin oder ein Student noch drei Semester an der Hochschule verbringen und Module belegen, die von der Prüfungsordnung vorgegeben sind? Da ist es doch viel besser zu arbeiten, Geld zu verdienen und selbstbestimmt MOOC-Kurse auszuwählen, die einen interessieren und weiterbringen. Und statt dem Master-Abschluss hat man die Zertifikate der Kurse.
Wie können Hochschulen auf MOOCs reagieren? Ein Beispiel wurde von der Universität Island gezeigt. Island, das war mir gar nicht bewusst, hat insgesamt nur rund 360.000 Einwohner. Da findet man natürlich nicht für jedes Thema eine Professorin oder einen Professor im Land. Studierende haben daher MOOCs zu Deep Learning beziehungsweise Power Electronics belegt. Die Bewertung erfolgte durch Kombination des MOOC-Abschlusses mit einer an der Universität Island lokal erbrachten Abschlussleistung, in diesen Fällen ein Projektbericht oder eine Präsentation.
Nach den Erfahrungen der Universität Island sollte ein MOOC-Anbieter ausgewählt werden, der klare Angaben über Kursinhalt und Lernziele macht. Studierende sollten sich für den gewählten Kurs anmelden und ihn beim Anbieter mit Zertifikat abschließen. Für die Anerkennung sollten ein Zeitplan und die lokale Abschlussleistung vorab vereinbart werden.
Auch dem Begriff Microcredentials bin ich begegnet, genau wie Susanne Staude. Wahrscheinlich gibt es hier mehrere Definitionen; ich finde den Ansatz des European MOOC Consortiums vielversprechend. Ein Common Microcredential Framework soll Rahmenbedingungen für Kurse festlegen, darunter einen einheitlichen Umfang von 100-150 Stunden, summative Bewertung mit Identitätsnachweis und ein Transkript mit den erbrachten Leistungen. Die Kurse sollen neben beruflichen und familiären Verpflichtungen möglich sein und lebenslanges Lernen ermöglichen.
Ich persönlich finde den Identitätsnachweis spannend, denn dies ist ja eine oft genannte Kritik an Online-Kursen. Ich kann mir gut vorstellen, dass man hier von den Entwicklungen beim Online-Banking oder E-Government profitieren wird. Wenn dort eine Infrastruktur zur Identitätsprüfung besteht, vielleicht durch Spracherkennung oder Fingerabdruckscanner, kann diese für Microcredentials genutzt werden. Das wird vielleicht noch nicht 2020 passieren, aber, meine Vermutung, deutlich vor 2030.
Und damit kommen wir nach Chicago. Dort gibt es Amazon Go und das musste ich unbedingt ausprobieren. Amazon Go ist ein Geschäft ohne Kasse. Ich benötige ein Amazon-Konto, identifiziere mich am Eingang über einen QR-Code und werde dann von circa 100 Kameras permanent beobachtet. Ich kann frei Waren aus dem Regal nehmen, bei Nichtgefallen auch wieder zurücklegen und verlasse dann ohne an einer Kasse zu warten das Geschäft. Eine Minute später habe ich den Kaufbeleg auf dem Smartphone.
Das Warenspektrum umfasst hauptsächlich Lebensmittel und die Idee ist, dass man in der Büropause oder auf dem Weg zur Metro noch schnell ein Sandwich und eine Cola kauft, ohne viel Zeit zu verlieren.
Ein Supermarkt der Zukunft? Marco Winzker testet das kassenlose Einkaufen. Bild: Marco Winzker.
Ebenfalls zum ersten Mal ausprobiert habe ich Uber, den Fahrdienst. Ja, man kann an der Share-Economy einiges kritisieren, aber ich will jetzt hier vor allem die Digitalisierung betrachten. Und da bieten sich für mich als Kunde eigentlich nur Vorteile. Ich sehe vor der Buchung den Preis, ich brauche beim Aussteigen nicht mit Bargeld oder Kreditkarte hantieren und ich gebe ganz in Ruhe nach der Fahrt das Trinkgeld. Außerdem weiß die Fahrerin oder der Fahrer über die App, wo ich hinfahren möchte. Das wäre für mich in den USA nicht das Problem, aber in China habe ich schon mit Zetteln gearbeitet und in Jordanien mussten Taxifahrer und ich mehrere Passanten um Übersetzung bitten. Das hat auch alles geklappt, aber mit Digitalisierung geht es bequemer.
Ein Uber-Fahrer erzählte mir, er wäre früher Taxi gefahren und Taxis hätten mittlerweile nur noch 25% Marktanteil. Ich habe die Zahl nicht überprüft, aber sie scheint in der Tendenz plausibel. Auch im Sprachgebrauch ist Uber angekommen. „You can uber to it.“ war die Entfernungsangabe für ein Museum.
Fazit
Der Aufstieg von Uber zeigt, dass man sich nicht aussuchen kann, ob man Digitalisierung möchte oder nicht. Sie kommt und man kann sie mitgestalten und sich darauf einrichten. Deswegen ist für mich das Beispiel der Universität Island so positiv. MOOCs werden sinnvoll genutzt, um das eigene Angebot zu stärken.
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