Digitale Kompetenzen und Geschlecht – Was heißt das für die Hochschulbildung?

Digitale Kompetenzen und Geschlecht – Was heißt das für die Hochschulbildung?

30.06.20

Das Ziel der Studie „Digital Gender Gap – Lagebild zu Gender(un)gleichheiten in der digitalisierten Welt“ ist es, Frauen im großen gesellschaftlichen Diskurs des digitalen Wandels differenzierter sichtbar zu machen, als es bisher erfolgte und hierzu Lösungsansätze aufzuzeigen. Dazu wurden Personen im Alter zwischen 14 und 65 Jahren befragt, davon 10.319 Frauen und 10.087 Männer. Die Studie erfuhr breites mediales Interesse. In diesem Blog-Beitrag stellt eine der Autor*innen der Studie, Prof. Barbara Schwarze, exemplarisch die Ergebnisse zu den ungleichen digitalen Kompetenzen zwischen Männern und Frauen vor. Prof. Schwarz erklärt, wie sich die Studie den möglichen Ursachen für diese Unterschiede annähert.

Digital Gender Gap - zeigt einen Querschnitt unserer Gesellschaft in Punkto digitale Kompetenzen

Die Anfang 2020 veröffentlichte Studie „Digital Gender Gap“ der Initiative D21 und des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit zeigt auf, dass Frauen und Männer sich in der Rezeption digitaler Themen noch immer unterscheiden. So ermittelte die Studie entlang einiger Teilindizes des D21-Digital-Index 2018/2019 wie Kompetenzen und Offenheit sowie einem eigenen Schwerpunkt „Digitales Arbeiten“ Unterschiede nach Geschlecht. 

Der Indexwert im Subindex „Kompetenz“ unterscheidet sich zwischen Frauen und Männern in der Altersgruppe 14 bis 24 Jahre um 8 Indexpunkte: Der Kompetenzindex von Frauen liegt bei 62, der von Männern bei 70 auf einer Skala von 0 – 100. In der folgenden Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen beträgt der Unterschied 7 Indexpunkte, bei den 45- bis 65-Jährigen sind es 9 Indexpunkte bei gleichem Geschlechterverhältnis. Um Hinweise auf die Ursachen dieses Unterschieds zu finden, wurde die Ausprägung einzelner Kompetenzen in dieser Studie einer genaueren Betrachtung unterzogen.

Wie setzt sich der Kompetenzindex in der Studie „Digital Gender Gap“ zusammen?

Im Subindex „Kompetenz“ setzte die Studie zum Digital Gender Gap zwei Schwerpunkte: Das Wissen zu digitalen Themen sowie die Selbsteinschätzung zu digitalen Basiskompetenzen stehen im Fokus. Aufgrund der „Integration von Digitaltechnologien in jedem Lebensbereich“ (VDI Technologiezentren GmbH, 2015, S. 40) sind digitale Fachbegriffe zunehmend Teil öffentlicher Diskurse. In der Studie wurde dementsprechend gefragt, ob die Begriffe Cloud, Darknet, Künstliche Intelligenz, Virtual Reality und Algorithmus bekannt sind. „Cloud“ ist den befragten jungen Frauen und Männern in der Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen gleichermaßen bekannt, hingegen unterscheiden sich die Werte bei allen anderen Begriffen um mindestens 10 Prozentpunkte, am größten ist der Unterschied beim Thema „Künstliche Intelligenz“: Hier geben 75 Prozent der Männer an, den Begriff zu kennen, Frauen stimmen dem hingegen nur zu 50 Prozent zu. Bei einigen Begriffen wurde eine „Gegenprobe“ gemacht: Wird der Begriff auch richtig verstanden? 74 Prozent der Männer wissen, dass ein Algorithmus eine „eindeutige Folge von Anweisungen zur Lösung eines Problems“ (Initiative D21 e. V., Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V., 2020, S. 13), Frauen wissen dies zu 60 Prozent. Das Geschlechterverhältnis bleibt hierbei unverändert.

Technikorientierung ist keine natürlich angeborene Eigenschaft

Dies lässt auf eine höhere Technikorientierung bei Männern schließen, die sich sowohl individuell als auch kollektiv im gesellschaftlichen Kontext immer wieder neu hervorbringt. Deutlich wird dies auch in einem Befund aus der Arbeitswelt: „Die Digitalisierung setzt mich in meinem Beruf einem dauerhaften Lern- und Anpassungsdruck aus“ bejahen 36 Prozent der Frauen, Männer hingegen stimmen dem zu 46 Prozent zu (Initiative D21 e. V., Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V., 2020, S. 24). Männer folgen bereitwilliger neuen technischen Trends, wählen häufiger technische Berufsfelder und sind digitalen Nutzungspotenzialen gegenüber aufgeschlossener als Frauen. Diese Ergebnisse zeigen, dass das immer noch geläufige Stereotyp von Technikverständnis als „natürliche Begabung“, die vor allem Männern zugeschrieben wird, weiterhin Einfluss auf die Wahrnehmung und Einstellung von Männern und Frauen hat. Digital Gender Gap Kompetenzindex differenziert

 

Digital Gender Gap: Männer überschätzen, Frauen unterschätzen ihre Fähigkeiten

Bei der Selbsteinschätzung zu Basiskompetenzen wie Erstellen von Texten, Präsentationen und Tabellenkalkulationen gaben 71 Prozent der Frauen im Altern von 14 bis 24 Jahren an, dies zu können, gegenüber 82 Prozent der jungen Männer. Das Übertragen von Dateien wie z. B. Fotos von einem Gerät auf ein anderes beherrschen in dieser Altersgruppe beide Geschlechter zu gleichen Teilen auf hohem Niveau (93 Prozent). In weiteren abgefragten Kompetenzbereichen wie Inhalte in soziale Netzwerke einstellen, Websites, Wikis und Blogs gestalten, Netzwerke einrichten und mindestens eine Programmiersprache zu beherrschen schätzen sich Frauen dieser Altersgruppe durchweg weniger kompetent ein als ihre männlichen Altersgenossen. Die deutlichste Abweichung zeigt sich bei der Frage „Ich kann ein (Heim-)Netzwerk einrichten“, was 75 Prozent der Männer, aber nur 37 Prozent der Frauen bejahen (Initiative D21 e. V., Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V., 2020, S. 32).

Sowohl Schüler/innen als auch Student/innen der ersten Semester schätzen ihre digitalen Kompetenzen höher ein, als sie tatsächlich sind, wenn diese einer Überprüfung unterzogen werden. Interesse und Engagement in stereotyp männlichen besetzten Kompetenzfeldern sind bei Frauen durch geschlechtsdifferierend ansetzende Spiel- und Unterrichtsangebote sowie Interessenzuweisungen eingeschränkt und gleichzeitig schätzen sie ihre Fähigkeiten in diesen Bereichen niedriger ein als Männer dies tun.

Spind mit dem Sticker: Education changes the World

 

Wie kann der Digital Gender Gap von Hochschulseite abgebaut werden?

Die Ergebnisse machen Handlungsbedarf sichtbar: Weil Diversität in Entwicklungsteams für digitale Anwendungen größeren Nutzen und bessere Qualität für alle bedeutet, sollen Frauen entlang der gesamten Bildungskette gezielt entsprechend ihrer Interessen in ihren digitalen Kompetenzen angesprochen und gestärkt werden. Ziel ist es, im schulischen, beruflichen sowie im gesellschaftlichen Umfeld mehr an Sensibilität für Geschlechterklischees und traditionelle Rollenzuweisungen sowie unterschiedliche Sozialisationserfahrungen zu vermitteln. Mit einer Einbindung von Inhalten und Methoden, die in der Vermittlung digitaler Kompetenzen breitere Interessen ansprechen, kann erreicht werden, dass zukünftig Frauen in technischen Ausbildungsberufen und Studiengängen ganz selbstverständlich zu gleichen Teilen wie Männer vertreten sind.

 

 

Literaturverzeichnis

Ihsen, S. (2017). Wandel und Widerstand. Zur Entwicklung einer genderorientierten Technikkultur. In U. Kempf, & B. W. Wrede (Hrsg.), Gender-Effekte. Wie Frauen die Technik von morgen gestalten (Bde. IZG-Forschungsreihe Bd. 19, S. 5-20). Bielefeld.

Initiative D21 e. V. (2019). D21 Digital-Index 2018/2019. Berlin. Abgerufen am 04. 02 2020 von https://initiatived21.de/publikationen/d21-digital-index-2018-2019 

Initiative D21 e. V., Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. (2020). Digital Gender Gap. Berlin, Bielefeld. Abgerufen am 04. 02 2020 von https://www.kompetenzz.de/aktivitaeten/digital-gender-gap

VDI Technologiezentren GmbH. (2015). Gesellschaftliche Veränderungen 2030 (Bd. Zukünftige Technologien Nr. 100). Düsseldorf. Abgerufen am 03. 02 2020 von https://www.bmbf.de/files/VDI_Band_100_C1.pdf

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