Ein Erfahrungbericht zum Think Tank „Visionäre für die Lehre“

Ein Erfahrungbericht zum Think Tank „Visionäre für die Lehre“

14.02.20

Sammeln von Ideen

Im Dezember 2019 bekam die Toepfer Stiftung gGmbH von der GWK den Zuschlag für die Gründung der Organisationseinheit (OE) „Innovation in der Lehre“. Bevor diese Anfang 2021 ihre Tätigkeit aufnimmt, finden im Februar und März 2020 insgesamt vier sogenannte Think Tanks (eigentlich sind es Workshops) zum Austauch mit erfahrenen Lehrgestalter*innen statt. Dr. Markus Deimann war am 6.2.2020 beim ersten Think Tank in Köln dabei und berichtet für uns von dort.

Sammeln von IdeenSeit vielen Jahrzehnten nimmt die Lehre an deutschen Hochschulen eine untergeordnete Rolle ein. Es wird zwar immer noch am Humboldtschen Ideal der Einheit von Forschung und Lehre festgehalten, doch das ist nur noch ein Lippenbekenntnis. Durch die seit den 1970er-Jahren stetig steigenden Studierendenzahlen ist aus der Hochschule ein Massenbetrieb geworden. Somit haben sich auch die Bedingungen für gute Lehre deutlich verändert. 

Die Qualität der Lehre drohte unter der Last der Studierenden ziemlich zu leiden, so dass Bund und Länder 2010 beschlossen, ein gemeinsames Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre aufzulegen, den sog. Hochschul- bzw. Qualitätspakt Lehre (2011-2020). Es zielte auf die Verbesserung der Betreuungsrelationen durch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Personal ab, insbesondere in stark belasteten Fächern. In zwei Phasen wurden Hochschulen bundesweit mit ca. zwei Milliarden Euro gefördert. Zum Ende der zweiten Periode wurde in der Programmevaluation kritisch festgestellt:

“Durch den vergleichsweise langen Förderzeitraum sind viele Maßnahmen – insbesondere solche, die zum Aufbau von (zentralen) Einrichtungen geführt haben – aus Sicht der Hochschulen unverzichtbar geworden. Auch die Aussagen aus den nicht mehr in der zweiten Phase weiter geförderten Hochschulen legen die Annahme nahe, dass die Projekte zumindest zum Teil auch nach Auslaufen der Förderung verstetigt werden können. Gleichzeitig betonen die Akteure aus den Hochschulen, dass die Nachhaltigkeit zahlreicher Stellen sowie die Verstetigung vor allem dezentral angelegter Maßnahmen zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss ist. Hierbei ist mit Blick auf die Vielzahl projektfinanzierter Initiativen insgesamt kritisch zu hinterfragen, wie es Hochschulen perspektivisch gelingen soll, die auf Grundlage von Projektförderungen implementierten Maßnahmen in die Breite zu verstetigen, da auch die Anschlussfähigkeit und Flexibilität des Förderumfelds auf Bundes- wie Landesebene nach Auslaufen der Förderung 2020 ungewiss sind.”

Es war zu befürchten, dass die „Qualitätspakt Lehre“-Projekte ein ähnliches Schicksal wie vergleichbar große Fördervorhaben (z.B. Neue Medien in der Bildung) erleiden werden. Viele gute Ideen konnten durch Personalwechsel und fehlenden Aufbau von Strukturen nicht weiter verfolgt werden und versandeten in den Untiefen der Hochschule. Auch ist nicht mit einem signifikanten Rückgang der Studienanfänger*innen zu rechnen – im Gegenteil. Es braucht also auch weiterhin die Grundfinanzierung und aufstockende Mittel. Dies wird mit einer neuen Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern adressiert. Die Ziele sind ähnlich wie beim „Qualitätspakt Lehre“, mit dem Unterschied allerdings dass für die Ausführung der Förderung eine Organisationseinheit – kurz OE – mit Geschäftsstelle geschaffen wird. Die OE soll rechtlich unselbstständig sein und unter dem Dach einer bestehenden Institution eingerichtet werden. Die Finanzierung wird zunächst (2021-2023) vom Bund und danach von Bund und Ländern gemeinsam aufgebracht. Es ist außerdem, wie Marco Winzker auf Twitter betonte, eine direkte Anknüpfung an den QpL angedacht. Ideen, die sich in den vergangenen neun Jahre bewährt haben, können weiterverfolgt werden. 

Die neue OE ist mittlerweile gefunden, die Toepfer Stiftung gGmbH als Tochtergesellschaft der Alfred Toepfer Stiftung. Die Arbeit beginnt mit der Einrichtung einer Informationswebseite und der Veranstaltung von vier regionalen Think Tanks. Der erste fand am 6. Februar in Köln statt.

Think about Thinks Differently.Anwesend waren 30 Personen (bei 91 Anmeldungen), aufgeteilt nach Hochschultyp und Funktionsbereich (erfreulicherweise waren auch Studierende dabei). Nach einem kurzen frontalen Input über die Hintergründe und die anstehenden Ziele (siehe weiter oben) ging es für den Rest des Tag in die Gruppenarbeit – ausgehend von Wünschen und Erwartungen über die programmatische und organisatorische Ausgestaltung der OE.

Zwei Aspekte lassen sich herausheben, da diese für die aktuelle Diskussion rund um die Förderung guter, zeitgemäßer Lehre prototypisch sind. Zum einen sollte das Verfahren schlank und schnell sein, mit Vereinfachungen für Verbundanträge. Auch sollten variable Laufzeiten (2-6 Jahre) möglich sein. Zum anderen sollte “Scheitern” erlaubt sein, z.B. in der Form von Meilensteinen. Oder in Form von Ideen, die initial umgesetzt werden und sich dann als nicht weiter realisierbar erweisen. 

Im weiteren Verlauf entspannten sich Diskussionen um den Begriff der Innovation, der mantraartig über der Digitalisierung schwebt und mit der kulturell tief verankerten Annahme verknüpft ist, dass neue Technologien zu verbesserter Lehre führen. Gegen diesen Automatismus gewandt waren Forderungen, dass es dafür empirische Evidenz braucht. Voraussetzung dafür sind darauf ausgerichtete Strukturen und Prozesse, die beispielsweise iterativ angelegt sind. An dieser Stelle war die Diskussion für mich besonders spannend, denn wie vielen anderen Teilnehmer*innen habe auch ich leidvolle Erfahrungen beim Versuch, Innovation in die Hochschule zu bringen, gemacht. 

Genau für den Austausch zu diesen Fragen war der Think Tank eine sehr gelungene Veranstaltung. Eine offene, kollegiale Atmosphäre, hergestellt von zwei erfahrenen Moderator*innen, führte uns auf der Suche nach Bedingungen für gute Lehre einen guten Schritt weiter. Es war ein hoffnungsvoller Start, mit der die Arbeit der neuen OE (ein Name soll noch gefunden werden) begann. Wenn es so offen, dialogorientiert und partizipativ weitergeht, wäre das ein Gewinn für alle, die sich mit Hochschullehre und Didaktik in der Digitalität auseinandersetzen. 

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