Eine schwarze Kachel statt einem lächelnden Gesicht: das bekommen Lehrende aktuell oft von den Studierenden zu sehen. Im Gesamtbild ergibt sich daraus eine leer wirkende, schwarze Bildschirmoberfläche, eine sogenannte "schwarze Wand". Prof. Dr. Verena Gerner stellt Hintergründe und Lösungsansätze vor, um Studierende aktiv einzubinden, zur Webcam-Nutzung zu motivieren und eine interaktive Lehre auch digital zu ermöglichen.
In diesem Blog-Beitrag möchte ich darauf eingehen,
Zunächst einmal war mir bisher die Wahrnehmung von „schwarzen Kacheln“, sprich von ausgeschalteten Webcams, in keinem anderen Webkonferenzsystem so präsent wie bei „Zoom“. Ich arbeite seit vielen Jahren mit Webkonferenzsystemen in der Lehre und in der Erwachsenenbildung, darunter Adobe Connect, WebEx, GoToMeeting. In der Regel sind bzw. waren in diesen virtuellen Konferenzräumen Webcams standardmäßig ausgeschalten, d.h. es musste aktiv etwas dafür getan werden, um die Videoübertragung zu starten, bzw. den Teilnehmenden die Berechtigung hierfür zu geben. Oftmals musste ich im virtuellen Meetingraum auch Platz, sprich Softwareoberfläche, „freiräumen“, damit die Videobilder gut sichtbar sind. Hätte ich dafür zu viel Platz für Zeichenfläche oder Folien opfern müssen und/oder sich die Bandbreite der Videoübertragung als zu schwach erwiesen, war es ein praktikabler Weg, Inhalte und Tonspur in den Vordergrund zu rücken und die Webcams lediglich anlassbezogen (z.B. bei Kennenlernrunden, Diskussionen, o.ä.) zu aktivieren. Zoom ist anders. Bei „Zoom Video Communications“ ist der Name Programm, d.h. eine Nicht-Übertragung fällt sofort (negativ) auf. Durch die überlappende Gestaltung der Benutzeroberfläche sind auch Platzprobleme passé, sodass eine permanente Videobildübertragung vorgesehen und praktikabel ist, wenn man nicht bewusst gegensteuert. Gleichzeitig ermöglicht der starke Kompressionsalgorithmus selbst bei schwachen Verbindungen eine oftmals ruckelfreie Videoübertragung.
Bild: Verena Gerner
Während ich in Trainings im Bereich der Erwachsenenbildung und in virtuellen Meetings mit Kolleg*innen eine scheinbar selbstverständliche Webcam-Nutzung bei „Zoom“ erlebt habe, machte ich in der Lehre die Erfahrung, dass Studierende ihre Webcam-Übertragung oftmals verhindern. Wie viele Kolleg*innen stellte ich mir im vergangen Semester die Frage, mit welchen Faktoren dies zusammenhängt. Meiner Beobachtung zufolge hängt die Bereitschaft zur Webcam-Nutzung mit der Größe des Auditoriums zusammen. Grob zusammengefasst: große Gruppen im Bachelor: Webcams off (im Plenum); kleine Gruppen im Master: Webcams on. Interessant war, dass sich die Bachelor-Studierenden in der Großveranstaltung auch dann nicht zur Webcam-Übertragung motivieren ließen, nachdem ich ihnen das Ergebnis einer mit ihrem Auditorium durchgeführten anonymen Abfrage präsentierte. Die Umfrage ergab, dass die Mehrheit es angenehmer fände, wenn alle Webcams angeschaltet wären. Also forschte ich weiter. In meiner – ebenfalls anonymen – Erhebung der Gründe für abgeschaltete Webcams erhielt ich Rückmeldungen, die stark mit den Ergebnissen von Jörn Loviscach übereinstimmen und von technischen Problemen bis zu unpassendem Make-Up reichen.
Auf die Frage, warum die Webcams ausbleiben, wurde mir von meinem Auditorium besonders stark der Punkt „Gruppenzwang“ zurückgemeldet:
„Gruppenzwang – wenn alle es machen würden, wäre es besser. Eigentlich finde ich Kurse mit Kamera besser und produktiver.“
Diese Rückmeldung zeigt, dass diejenigen Studierenden, die eine hohe Bereitschaft zur Webcam-Nutzung haben, durch Teilnehmende mit niedriger Bereitschaft gehemmt werden können. Auch korrespondierte diese Rückmeldung mit meiner Beobachtung, dass die befragten Studierenden die Webcams (immerhin) in den Break-Out-Sessions anschalteten, wenn sie in Klein(st)gruppen unter sich waren.
Weiterhin bemerkenswert fand ich die Angabe, dass „man nicht ständig dabei gesehen werden will, während man nur passiv in die Kamera schaut“. Diese Aussage verdeutlicht einen wesentlichen Unterschied zwischen Online- und Präsenzkommunikation: Während ein Studierender in einer Präsenzveranstaltung i.d.R. nur in das Gesicht des Lehrenden blickt (mit mehr oder weniger großem räumlichen Abstand) und die Kommiliton*innen oftmals nur von hinten oder von der Seite sieht, werden Teilnehmende einer Videokonferenz stets frontal gefilmt. Die Studierenden sind einer höheren Exponiertheit ausgesetzt und erfahren bei permanenter Videoübertragung weniger Komfortzone verglichen mit Präsenzveranstaltungen.
Nach dieser Analyse stellte ich mir und Kolleg*innen die Frage, was man gegen den vielerorts beklagten Blick in schwarze Kacheln tun kann. Die Lösungsansätze aus zahlreichen Workshops lauteten:
Unter diesen Gesichtspunkten erscheint es mir stimmig, die Video-Übertragung kontext- und situationsbezogen zu nutzen: einerseits bei überschaubaren Kursgrößen, bei denen es mir selbst gelingt, die Namen der Studierenden einzuprägen, andererseits bei konkreten Aktivitäten, die dem Aufbau von Nähe, Vertrauen und sozialer Präsenz dienen, wie z.B. Einstiegsrunden, Gruppenarbeiten, Studierendenpräsentationen oder Sprechstunden. Dies heißt für mich aber auch, dann bewusst auf die Webcam-Übertragung zu verzichten, wenn sie keinen Mehrwert stiftet, ohne dies als Ärgernis zu betrachten.
Letztendlich beruht die Video-Übertragung immer auf Freiwilligkeit. Unser Einfluss auf die Teilnahmeplätze der Studierenden, deren Anbindung, Bereitschaft und technische Ausstattung ist und bleibt begrenzt.
Auf die Frage, ob ausgeschaltete Webcams tatsächlich ein Problem in der Lehre darstellen, wurde mir von Kolleg*innen folgender Schmerzpunkt zurückgemeldet: Folgen die Studierenden überhaupt noch aufmerksam der Veranstaltung, wenn ich sie nicht sehen kann? Ich erlaube mir, diese oft geteilte Sorge mit einem konkreten Statement eines Workshop-Teilnehmers zu veranschaulichen:
„Wenn ich eine Online-Vorlesung ohne Ankündigung vorzeitig beende und feststelle, dass ein Drittel der Teilnehmenden sich nicht unmittelbar aus dem Meeting ausloggt, weiß ich, dass Studierende vor unbestimmter Zeit einfach weggegangen sind.“
Die Webcam-Übertragung gibt Lehrenden also ein Stück weit Kontrolle über das Publikum und ist ein Indiz für dessen Aufmerksamkeit. Gleichzeitig sind Studierende aus meiner Sicht noch lange nicht aufmerksam bzw. aktiv dabei, nur, weil ich sie vor dem Rechner sitzen sehe. Das o.g. Zitat erinnert an Frontalunterricht, bei dem Studierende eine überwiegend rezeptive Rolle haben. Lassen sich Studierende im Online-Setting beim Rezipieren nicht beobachten, fehlt den Vortragenden die – wenn auch in der Regel stumme – „Präsenz“ ihres Publikums.
Wie können wir auch bei Dunkelheit wahrnehmen, ob Studierende „noch da“ sind? Aus meiner Sicht lautet der Schlüssel: Aktivierung. Sobald Studierende in irgendeiner Weise aktiv werden müssen, kann ich als Lehrende automatisch wahrnehmen, dass mein Gegenüber mit mir in Verbindung steht. Denn in der Aktivierung verändert sich die Rolle des Teilnehmenden vom rezipierenden Zuschauer zum echten Interaktionspartner. Dabei sind aktivierende Methoden weit mehr als ein Kontrollinstrument. Sie strukturieren den Lernprozess, unterstützen die Informationsverarbeitung, machen den Lernstand sichtbar und bringen Abwechslung und Vielfalt in die Lehre.
Zur Aktivierung der Studierenden setze ich unterschiedliche Methoden ein. Sie reichen von „kleinen“ Kommunikationstechniken bis zu didaktischen Aufgabenstellungen. Nachfolgend stelle ich sieben Aktivierungsmethoden vor, die keine Webcam-Übertragung erfordern und für alle Gruppengrößen geeignet sind:
Statt sich auf das Thema „Webcam-Nutzung“ zu fokussieren, erscheint es mir wichtiger, zu überlegen, wie Studierende am Lehr-/Lernprozess beteiligt werden können und wie sich aktivierende Methoden zielführend im virtuellen Raum umsetzen lassen. Mit diesem Beitrag hoffe ich, ein paar praktische Ideen gegeben zu haben, die die Online-Lehre bereichern können.
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