Wann lohnt sich der Einsatz digitaler kollaborativer Lernformate bei der Gestaltung von Hochschullehre? Die Pandemie hat uns ins kalte Wasser geworfen – auch im Hinblick auf die Einbindung digitaler kollaborativer Lernformen in die Hochschullehre. In den letzten Jahren wurden in diesem Bereich viele Erfahrungen gesammelt: Studierende haben in Breakout-Sessions zusammengearbeitet, virtuelle Whiteboards oder Padlets genutzt und sich in Diskussionsforen ausgetauscht. Wie können solche kollaborativen Formate nachhaltig lernwirksam umgesetzt werden? Neben persönlichen Erfahrungen liefert auch die Lehr-Lern-Forschung wichtige Erkenntnisse, die bei der Gestaltung kollaborativen Lernens (im digitalen Raum) berücksichtigt werden sollten. In diesem Blogbeitrag stellen Prof. Dr. Elisabeth Mayweg, Theresa Ruwe und Dr. Rüdiger Rhein, als Teilgruppe der dghd Arbeitsgruppe „Psychologie und Lehr-Lern-Forschung“, einige konkrete Handlungsempfehlungen für die Gestaltung digitaler Kollaboration vor.
Bevor man sich die Frage nach der Umsetzung kollaborativer Lernformate im Digitalen stellt, sollte man sich Gedanken darüber machen, wann sich ihr Einsatz in der Hochschullehre überhaupt lohnt. Die aktuelle Forschung zeigt, dass das Lernen in der Interaktion mit anderen eine äußerst konstruktive Form des Wissenserwerbs ist. Durch das Einbeziehen anderer Perspektiven in das eigene Denken und die Anknüpfung an das bereits bestehende Wissen, wird eine tiefe kognitive Auseinandersetzung mit den jeweiligen Inhalten gefördert. Der Prozess dieses gegenseitigen Austauschs von Informationen, des Gebens und Aufnehmens neuer Anregungen, wird als transaktive Kommunikation bezeichnet. Genau in dieser Transaktivität liegt der Vorteil des kollaborativen Lernens im Vergleich zu individuellen Lernformen: Die Berücksichtigung zusätzlicher Informationen und alternativer Ideen, und damit auch von Anregungen, sowie das Teilen eigener Gedanken, sind in individuellen Lernformen nicht ohne weiteres möglich. In transaktiver Kommunikation zeigen kollaborative Lernformen positive Effekte auf folgenden unterschiedlichen Ebenen:
Gibt es in Bezug auf die Wirksamkeit einen Unterschied zwischen analogen und digitalen Kollaborationen? Ja, denn bezogen auf digitale Lernsettings lässt sich feststellen, dass diese insgesamt stärkere Effekte auf die genannten Lernziele zeigen. Digitale Lernsettings bieten andere Möglichkeiten der Gestaltung der Transaktivität, beispielsweise durch interaktive, strukturierte und motivierende Lernumgebungen. Auch die zeitliche Flexibilität, die es Lernenden erleichtert, sich vorzubereiten, zu reflektieren und die Inhalte zu verstehen, wird als Vorteil genannt. Außerdem bieten digitale Lernformen für unterschiedliche Lernstile eine Chance, sich einzubringen (z. B. haben passive Lernende digital mehr Selbstbewusstsein, sich zu äußern).
FAZIT: Transaktivität fördern!
Es reicht nicht, Lernende in Gruppen zusammenzubringen, damit kollaboratives Lernen erfolgreich ist. Vielmehr müssen bestimmte Gestaltungsmerkmale berücksichtigt werden, die die Transaktivität fördern.
FAZIT: Lernsetting entsprechend den Lernzielen gestalten!
Neben der Planung zeitlicher Aspekte, der Formulierung der Aufgabenstellung sowie dem gezielten Einsatz von Tools und didaktischen Ansätzen sollten auch soziale Aspekte berücksichtigt werden (z.B. Gesprächsregeln), um digitale kollaborative Lernsettings effektiv zu gestalten.
Der Einsatz von Tools kann Kollaboration in digitalen Lernumgebungen fördern. Aber was genau ist mit „Tools“ gemeint? In der Forschung wird zumeist zwischen Tools und didaktischen Ansätzen unterschieden. Unter Tools versteht man beispielsweise Group Awareness Tools, Graphen und Multimedia, Adaptive und intelligente Systeme, Virtuelle Lernumgebungen, (erweiterte) Diskussionsforen oder Visuelle Repräsentationstools. Didaktische Ansätze sind beispielsweise Instruktionen und Guidance, Peer Feedback und Assessment oder Rollenzuweisungen. Bei der Umsetzung kollaborativer Lernformen können Tools und didaktische Ansätze eine wichtige Rolle einnehmen, dabei gilt es ihre spezifische Wirkung für die unterschiedlichen Lernziele zu bedenken und bei der Planung zu berücksichtigen:
So zeigen sich Group Awareness Tools am vielversprechendsten über mehrere Lernziele (z. B. für den individuellen Wissenserwerb, die Gruppenleistung und auch die soziale Interaktion) hinweg. Group Awareness Tools sammeln Informationen über die Gruppenmitglieder (z.B. über das Engagement, die Interessen, das Vorwissen, das kommunikative Verhalten), um diese dann den anderen Lernenden zur Verfügung zu stellen. So wird sukzessive ein Modell jedes Gruppenmitglieds erstellt, an dem sich die anderen beim kollaborativen Lernen orientieren können. Insofern ist es wichtig, dass die Lernenden individuelle Beiträge leisten können und sich dabei über das Wissen und die Fähigkeiten sowie die Social Presence der Gruppenmitglieder bewusst sind. Entsprechend zeigen sich visuelle Repräsentationstools (z. B. für die Gruppenleistung) als effektiv, wobei auch hier nicht nur die kognitive Leistung im Vordergrund steht, sondern insbesondere auch die Interaktion in der Gruppe. Durch den Einsatz virtueller Lernumgebungen können ebenfalls mehrere Lernziele adressiert werden, wobei der Effekt auf den Erwerb von Fähigkeiten am stärksten ist. Bei den didaktischen Ansätzen sind vor allem Instruktionen und Guidance (wie Kollaborationsskripte zur Instruktion sozialer, motivationaler und kognitiver Aspekte) über mehrere Lernziele hinweg wirksam (z. B. Erwerb von Fähigkeiten, Wissenserwerb, soziale Interaktion). (Allerdings ist diese Form der didaktischen Unterstützung auch am umfangreichsten beforscht, was bei der Interpretation der Effekte berücksichtigt werden muss.) Darüber hinaus spielen noch weitere Faktoren, wie die Gruppengröße, die verfügbare Zeit sowie die Kombination aus Tool und didaktischem Ansatz eine Rolle für die Effektivität kollaborativer Lernformen im Digitalen.
FAZIT: Unterstützung sozialer sowie kognitiver Prozesse am vielversprechendsten für vielfältige Lernziele!
Sowohl Lernziele als auch das Lernsetting müssen mitgedacht werden und sollten den Ausgangspunkt für den geplanten Einsatz von Tools und didaktischen Ansätzen bilden. Dabei gilt es eine überlegte Auswahl zu treffen und kollaborative Lernsettings nicht mit zu vielen Tools zu überfrachten.
Der Beitrag wurde basierend auf einer Sichtung verschiedener Metaanalysen zum kollaborativen Lernen geschrieben. Weiterführende Informationen können Sie in der zugrundeliegenden Literatur nachlesen:
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Kyndt, E., Raes, E., Lismont, B., Timmers, F., Cascallar, E., & Dochy, F. (2013). A meta-analysis of the effects of face-to-face cooperative learning. Do recent studies falsify or verify earlier findings? Educational Research Review, 10, 133–149.
Popov, V., van Leeuwen, A., & Buis, S. C. A. (2017). Are you with me or not? Temporal synchronicity and transactivity during CSCL. Journal of Computer Assisted Learning, 33(5), 424 – 442. https://doi.org/10.1111/jcal.12185
Vogel, F., Kollar, I., Ufer, S., Reichersdorfer, E., Reiss, K. & Fischer, F. (2016). Developing argumentation skills in mathematics through computer-supported collaborative learning: The role of transactivity. Instructional Science, 44, 477 – 500. https://doi.org/10.1007/s11251-016-9380-2
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