Mir scheint hier ein altes Verständnis von Wissen und Lernen mit neuen technischen Möglichkeiten zusammengeführt zu werden. Das führt eigentlich eher zu einem Rückschritt. Wenn alles Wissen im Internet ist, hilft uns das wenig für die Kompetenzen, die erlernt werden müssen, zumindest so lange wie wir dieses Wissen nicht in Handlungen bzw. Handlungsdispositionen von Menschen transferieren können. Maschinen können durch die Verfügbarkeit vielleicht anders lernen, Menschen zumindest nicht grundsätzlich mit Blick auf komplexen Denkleistungen und Handlungen. Der einzige Unterschied: Die absolute Basis für diese Handlungsdispositionen ist jetzt leichter verfügbar.
Auch Aussagen zu Konzepten mit Blockchain wie: “Dort würde man ökonomisch abgestraft: über den Smart Contract verliert man z.B. Geld, wenn man etwas Falsches sagt.” sind zumindest in dieser hoffentlich nur krass zugespitzten Form gerade etwas, das einer Innovationsfreundlichen Kultur nun wirklich nicht zuträglich ist.
Wo bleibt die Diskussion zur Fehlerkultur, zu positiven Utopien (und aus meiner Perspektive auch sehr gerne zu Dystopien) die nicht aus einer wirtschaftlichen Denke entspringen. So lange wir die mit wirtschaftlichen Mechanismen verbundenen Prozesse nicht im Licht von Emanzipation, Lernen sowie Auswirkungen auf die Gesellschaft kritisch auf den Kopf stellen, bevor wir sie automatisieren und auf Bildungsprozesse übertragen, werden wir a) eine Diskussion führen, die für viele (aus gutem Grund) nicht anschlussfähig ist und b) eine Entwicklung beschleunigen, die im schlechtesten Sinne kopflos passiert.
Was mir dagegen einleuchtet, sind die Überlegungen Open Badges und Blockchain miteinander zu verbinden. Wenn ich das richtig sehe, hat das Sandra Schön bspw. hier in ihrem Foliensatz gemacht. Und ich bin sehr gespannt, wie Lambert Heller beim OERcamp17 in Hamburg Blockchain thematisieren wird.
Zurück zum Lernverständnis: Lehrende als Coach zu betrachten, ist etwas, das in der Hochschuldidaktik mindestens seit der Diskussion des Shift from Teaching to Learning (Barr & Tagg 1995) vertreten wird (ok, wir können darüber diskutieren, warum es sich noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat, aber das wäre eine andere Diskussion).
Und wie hier in dem Blobeitrag argumentiert, dass wir anderes Lernen brauchen? Ausschließlich aus Unternehmenssicht: “Die größten und wichtigsten Firmen sagen schon jetzt, dass ein Universitätsabschluss heutzutage nicht mehr relevant ist. Die großen Unternehmensberater, die früher auf einen Einser Universitätsabschluss gepocht haben, stellen jetzt auch Leute ein, die niemals auf die Uni gegangen sind.” Der Wissenschaftsrat hat 2015 beispielsweise betont, dass es an der Hochschule um (Fach-)Wissenschaft, Persönlichkeitsbildung und Arbeitsmarktvorbereitung gehen sollte.
Grundsätzlich mit neuen Formen zu experimentieren halte ich für wichtig, wenn man die obigen Dinge dabei mitdenkt. Und sich mal endlich von einer alten Vorstellung von Hochschulen wie der folgenden verabschiedet: “Es gibt noch keine fertigen Lösungen. Aber klar ist, dass auch die Universität eine zentrale Instanz ist, die Wissen zertifiziert und auch die wird letztendlich auf der Blockchain abgeschafft werden.” Das ist eine von mehreren Funktionen von Hochschulen, und es geht längst nicht nur darum, Wissen zu zertifizieren. Es geht an Hochschulen darum, Wissen gemeinsam zu entwickeln, zu forschen, Bildung zu betreiben, alles zusammen. Und der Anspruch ist es, Kompetenzen zu entwickeln und zu zertifizieren, davon ist Wissen nur ein Teil. Wer sich von der im Blogpost dargestellten alten Vorstellung von Hochschulen nicht verabschiedet, wird auch mit neuen Entwicklungen an den innovativen Hochschulen vorbeireden und vorbei experimentieren.
Ansonsten aber Danke für den Beitrag, vielleicht kann man - auch mit den anderen Blockchain-Bezügen, das Thema gemeinsam weiter für sinnvolle Bildungsprozesse nutzen.
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