Wie können multimediale Inhalte barrierefrei gestaltet werden? Für wen spielen Alternativen zu Audio- und Videoinhalten überhaupt eine Rolle und was muss in der Umsetzung konkret beachtet werden um die Anforderungen der Barrierefreiheit zu erfüllen? Dr. Björn Fisseler gibt in diesem Beitrag Antworten auf diese Fragen und stellt konkrete Handlungsempfehlungen zur Erstellung barrierefreier Audio- und Videoinhalte vor.
Dieser Blogbeitrag gehört zu einer Reihe zum Thema Barrierefreiheit in der digitalen Lehre von Dr. Björn Fisseler. Sie können alle weiteren Artikel in unserem Dossier Diversität und Barrierefreiheit finden.
Im Blogbeitrag zu den Grundlagen digitaler Barrierefreiheit wurde das Prinzip der Wahrnehmbarkeit vorgestellt. Dieses Prinzip gilt auch für Audio- und Videoinhalte. Aber wer braucht welche Alternativen zu Audio- und Video-Inhalten (AV-Inhalten) und warum? Welche Alternativen müssen bei welchen Inhalten bereitgestellt werden? Und wie können die Anforderungen an barrierefreie AV-Inhalte umgesetzt werden? Dieser Beitrag gibt Antworten auf diese und weitere Fragen. Weiterführende Hinweise geben die Links zu zusätzlichen Angeboten.
Es hilft weiter, wenn man die Bedarfe der Nutzer*innen versteht. So kann man besser nachvollziehen, wer welche Alternativen zu AV-Inhalten benötigt und warum. Die Web Accessibility Initiative erläutert detailliert, was die Bedarfe der Nutzer*innen mit verschiedenen Beeinträchtigungen sind:
Die BITV (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) beruft sich über den harmonisierten EU-Standard 301 549 auf die Richtlinie 1.2 Zeitbasierte Medien der WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) in der aktuell gültigen Fassung. Die Richtlinie gibt folgende Anforderungen vor:
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass sich die Anforderungen 1.2.3 und 1.2.5 sehr ähneln. Das liegt daran, dass Anforderung 1.2.3 der WCAG-Stufe A entspricht, die Anforderung 1.2.5 der Stufe AA. Für die niedrigste Stufe genügt eine Audiodeskription oder eine Medienalternative für Videoinhalte. Für die Stufe AA muss es eine Audiodeskription sein.
Der harmonisierte EU-Standard übernimmt aber diese Stufeneinteilung nicht. Er übernimmt auch nicht die Anforderungen 1.2.6 (Gebärdensprache), 1.2.7 (erweiterte Audiodeskription), 1.2.8 (Medienalternative) und 1.2.9 (Live-Nur-Audio) der WCAG. Das bedeutet, dass keine Gebärdensprachevideos für eine barrierefreie Gestaltung notwendig sind, obwohl manche gehörlose Menschen bevorzugt in Gebärdensprache kommunizieren. Auch die BITV sieht Erläuterungen in Deutscher Gebärdensprache nur für wichtige Teile der Startseite einer Webseite vor.
Untertitel, Captions, Subtitles. Sie verhelfen zu mehr Barrierefreiheit, werden jedoch bei der Erstellung von Audio- und Videoinhalten oft nicht mitgedacht. Bild: [https://unsplash.com/photos/GLdeWoLcJFQ ConvertKit]
Das WebAIM-Projekt erläutert die Unterschiede in einem Artikel und geht auch auf Live-Untertitel ein.
Die Web Accessibility Initiative erklärt sehr genau, wann Audiodeskription, Untertitel und Transkripte notwendig sind. Ich erläutere die Regelungen der BITV bzw. des EN 301 549 anhand typischer Lehrszenarien. Dabei ist immer zu beachten, dass die Alternativen dann bereitgestellt werden müssen, wenn die Audio- bzw. Videoinhalte nicht bereits eine Alternative zu Textinhalten darstellen.
Es ist sicher deutlich geworden, dass die barrierefreie Gestaltung multimedialer Inhalte nicht trivial ist. Ein Video untertitelt man nicht selber mal eben nebenbei. Aber der Aufwand lohnt sich, vor allem natürlich für Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Wie ein Video mit Audiodeskription, Untertitelung und Transkript dann aussieht, zeigt ein Beispiel des DO-IT der University of Washington.
Es sind nicht vordergründig gute technische Voraussetzungen, die gefordert sind. Vielmehr muss Barrierefreiheit in der Planung von Beginn an mitgedacht werden. Bild: [https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-kamera-buro-fotograf-4491442/ Karolina Grabowska]
Die Gestaltung barrierefreier AV-Inhalte ist anspruchsvoll. Die barrierefreie Umsetzung beginnt schon bei der Planung und Vorbereitung. Sie werden schnell feststellen, dass es mit der Hilfe von Expert*innen einfacher ist, AV-Inhalte mit Untertiteln oder einer Audiodeskription zu versehen. Die hier aufgeführten Tipps und Hinweise geben Ihnen einen guten Einstieg in das Thema. Nutzen Sie die weiterführenden Links, um mehr zu diesem spannenden Thema zu erfahren.
Vielen Dank für diese sehr hifreichen Beitrag. Das hätte uns bei der Erstellung des ersten Videos für unsere Toolbox-Website sehr geholfen. Neben den praktischen Hinweisen finde ich es großartig, dass Sie auf die notwendigen Rahmenbedingungen hinweisen: "Die Erstellung von Untertiteln, Transkripten und Audiodeskriptionen benötigt personelle und finanzielle Ressourcen. Die Bereitstellung dieser Ressourcen ist Aufgabe der Hochschulen. Wenn Audio- oder Videoinhalte prüfungsrelevant sind, muss die Hochschule für die barrierefreie Gestaltung sorgen." Gleichzeitig finde ich es erschreckend, wie weit die meisten Hochschulen von solchen Strukturen, die barrierefreie Lehre ermöglichen, weg sind. Oder gibt es tatsächlich Hochschulen, die diesbezüglich gut aufgestellt sind? Ich vermute die FernUni Hagen hat damit längere Erfahrung als die meisten andere Hochschulen? Kurz: gibt es Good-Practice-Beispiele für die Rahmenbedingungen?
An der FernUniversität in Hagen sind wir in der relativ komfortablen Situation, dass wir eine Kollegin und einen Kollegen haben, die sich auf Anfrage um die Untertitelung von längerfristig eingesetzten Videos kümmern. Das ist u.a. Ergebnis der Erarbeitung eines Inklusionskonzepts im Rahmen eines Diversität-Audits.
Leider weiß ich nicht, ob weitere Hochschulen in Deutschland ähnlich gelagerte Services haben oder Ressourcen für die Untertitelung durch Dritte bereitstellen. Aber an der FernUniversität sind wir auch in der besonderen Situation, dass wir unsere Vorlesungen per Video zu den Studierenden bringen.
Sie können aber einmal bei den ehemaligen Organisator*innen des Arbeitskreises "Barrierefreie Videos in der Hochschullehre" nachfragen.
Wer ein freies, kostenloses Programm (für alle Plattformen) sucht, sollte sich mal Aegisub ansehen: http://www.aegisub.org/
Wir (ZMML, Uni Bremen) stellen es u.a. in einem Blogbeitrag kurz vor: https://blogs.uni-bremen.de/studytools/2020/11/06/untertitel-erstellen-m...
Vielen Dank für die gute Übersicht. In einem Vortrag zum Thema barrierefreie Webinhalte wurde darauf hingewiesen, dass das Gendern mit dem Asterix * etwas schwierig in der Sprachausgabe von Screenreadern sei. Ein Doppelpunkt füge sich besser in den Lesefluss ein. Haben Sie dazu eine Empfehlung?
Vielen Dank für Ihre Frage, auf die unsere Antwort lautet: Im HFD gendern wir seit einiger Zeit konsequent mit Doppelpunkt.
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