Praxis der Partizipation: Let’s Talk:Campus 2022 Lightning Talks

Praxis der Partizipation: Let’s Talk:Campus 2022 Lightning Talks

15.02.23

Titelbild: Blogbeitrag zur Reihe "Let's Talk Campus" 2022: "PRAXIS DER PARTIZIPATION". Gastbeiträge von Robert Falkenstein und Torsten Utz, Roksana Inga Rybicka, Annika Voß und Sabine Giese. Hintergrundbild: Junge Menschen demonstrieren mit Plakaten auf der Straße. Rechts Logos: HFD, Lets Talk Campus, Stiftung Innovation in der Hochschullehre.

Im Rahmen von Let’s Talk:Campus 2022 erzählten Speaker:innen von drei verschiedenen Hochschulen in Deutschland, was sie in ihrer eigenen hochschulpolitischen Arbeit erlebt haben. Im Blog teilen sie mit uns ihre Einschätzungen, welche Bedingungen für eine bessere studentische Partizipation notwendig sind. Was muss sich ihrer Meinung nach ändern, damit mehr Studierende das Hochschulleben aktiv mitgestalten wollen – und: damit ihre Stimmen auch wirklich gehört werden? 

Titelbild: Blogbeitrag zur Reihe "Let's Talk Campus" 2022: "PRAXIS DER PARTIZIPATION". Gastbeiträge von Robert Falkenstein und Torsten Utz, Roksana Inga Rybicka, Annika Voß und Sabine Giese. Hintergrundbild: Junge Menschen demonstrieren mit Plakaten auf der Straße. Rechts Logos: HFD, Lets Talk Campus, Stiftung Innovation in der Hochschullehre.

Übersicht der Beiträge:

 

Hilft Profs ärgern den Studis? 

Von Robert Falkenstein und Torsten Utz, Hochschule Coburg

Im Rahmen von Let’s Talk:Campus haben wir über Notwendigkeiten und Barrieren der Studierendenvertretung gesprochen. Der Titel klingt dabei recht hochgestochen, war es doch mehr oder weniger ein Best- und Worst-Of unserer Zeit in der Studierendenvertretung. Diese läuft immerhin seit der Legislaturperiode 2015/2016 auf uns beide verteilt ununterbrochen – und wir hatten zusammen schon so ziemlich jedes Amt inne. Ob studentische Senatoren, studentische Mitglieder im Fakultätsrat, Sprecher bei der Landes-ASten-Konferenz Bayern, Sprecherrat (Äquivalenz auf Bundesebene wäre Minister) für Politik oder Öffentlichkeitsarbeit – wir haben alles mitgenommen, so auch die Erfahrungen über studentische Beteiligung in Hochschulen.

Wir müssen leider mit Entsetzen feststellen, dass es stark auf das Gegenüber ankommt, ob Studierende ernstgenommen werden oder nicht. Denn es waren immer dieselben Professor:innen oder anderweitige Hochschulangehörige, die über Vorschläge, oder uns persönlich, lachten. Aber es sind auch immer dieselben Personen, die uns in der Arbeit der Studierendenvertretung unterstützen oder unterstützt haben. Wir erzählten also, was alles passierte in den immerhin nun sieben Legislaturperioden. Von Profs, die ihre persönliche Weiterbildung vom Geld aus dem Topf „Verbesserungen der studentischen Bedingungen“ bezahlen wollen – mit der Begründung, es hilft den Studis ja, wenn die Lehre besser ist. Prinzipiell nicht falsch, aber 1. erzählte sogar der Beauftragte für Finanzen der Fakultät, dass dies in dem Gehalt als verbeamteter Prof schon inbegriffen sei und 2. bezahlen wir sonst Sachen, die nirgends rein zählen, wie zum Beispiel den Aufbau einer Mensaterrasse für das gemütliche Mittagessen oder Tischtennisplatten für eine bewegte Pause. Immerhin ist das eine Situation, die auf jährlichen Treffen der Studivertretungen/ASTAS als Eisbrecher dient – war also nicht komplett umsonst.
Aber wir erzählten auch von guten Erlebnissen. Zum Beispiel was mit den Mitteln aus studentischen Zuschüssen zur Verbesserung des Studiums alles in Zusammenarbeit mit der Hochschulleitung angeschafft wurde: Von Tischtennisplatten, Wasserspendern, 3D-Druck-Laboren, die komplett für Studierende offenstehen, und auch der Finanzierung weiterer Servicedienstleistungen für Studierende.

Kurzum: Wir haben viel erlebt – und hoffen, dass mit unserer Arbeit die zukünftige Studivertretung einiges einfacher haben werden.

 

Studium, Partizipation und Motivation – Kritische Auseinandersetzung mit Partizipation

Von Roksana Inga Rybicka, Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder

Es gibt vielseitige Probleme, die nur gemeinsam als Studierendenschaft gelöst werden können. Dennoch liegen die Wahlbeteiligungswerte an den Universitäten erheblich niedriger als erwartet. Für die Wahlen bewerben sich immer dieselbe Kandidat:innen. Die fehlende Partizipation an der Universität hat sich bereits als ein ernstzunehmendes Problem erwiesen. Es ist bemerkenswert, dass sich diese Situation laut Statistiken tatsächlich deutschlandweit bestätigen lässt. Daraus ergibt sich die Frage, woran die fehlende Motivation an den Wahlbeteiligungen liegt.

An den Universitäten ist es häufig zu beobachten, dass das studentische Engagement in der Hochschulpolitik und den anderen universitäreren Initiativen sehr niedrig ist. Beobachtet man beispielsweise die Wahl-Beteiligungswerte an einer mittelgroßen Universität, so liegt die Beteiligung zwischen 2,4- 9,4 %. Bei den Kandidat:innen liegt die Anzahl viel niedriger. Es kommt tatsächlich selten vor, dass die studentischen Gremien vollständig besetzt sind. Die Kandidat:innen selbst bilden ein sehr begrenztes Publikum. Es sind immer wieder dieselben Gesichter, die die Ämter bekleiden. Selten kandidieren sie allein, sondern sie bewerben sich als Mitglied einer Hochschulgruppe bzw. einer etablierten Partei. Für viele gewöhnliche Studierende stellt sich die Hochschulpolitik als unattraktiv heraus. So bleiben den Wahlen die potenziellen Kandidat:innen fern, die eine gewisse Vielfalt mit sich bringen würden. Das Engagement in dieser gemeinsamen Politik erfordert viel Zeit und Aufopferung zugunsten der Studierendenschaft, die nicht mit einem entspannten Studienverlaufsplan zu kombinieren ist. Dieser Fakt führt dazu, dass die Studienzeit häufig verlängert werden muss.

Aus diesem faktischen Grund ist es nicht auszuschließen, dass das Meinungsspektrum der Studierendenschaft nicht der Gesamtheit entspricht. Denn durch die geringe Partizipation gehen auch die einzelnen Meinungen verloren.

Als Belohnung für dieses Engagement bekommt man bestenfalls nur eine Bescheinigung, die unter Umständen das Studium um ein paar Semester verlängern würde. Diese stellt keine genügende Quelle zur Steigerung der studentischen Motivation dar und löst somit nicht die Problematik. Vielmehr wäre es einfacher zu lösen, wenn wir allen Studierenden ein Gefühl vermitteln, dass die Gremiumsmitgliedschaft ein essenzieller Teil des studentischen Lebens darstellt, um das Mitspracherecht an hochschulpolitischen Aktivitäten bzw. Aktionen aufrechterhalten zu können. Außerdem sollte es vermieden werden, dass Studierende für ihr individuelles Engagement an der Universität und für ihre politische Position willkürlich und unangemessen beurteilt werden. Die konstruktive Kritik erlangt dagegen viel mehr Argumente, die anhand von Fakten und Statistiken erläutert werden. Die Willkür führt unmittelbar dazu, dass sich die Studierenden, die sich für die Hochschulpolitik aktiv engagieren wollen, eher einschüchtern lassen.

 

Student Digital Office – ein partizipativer Prozess für ein partizipatives Projekt

Von Annika Voß, CAU Kiel

Wie können Studierende von Nutzer:innen der digitalen Lehre zu Gestalter:innen dieser werden?

Neben vielen anderen Hochschulen, stellen auch wir an der CAU Kiel uns diese Frage und haben dafür eine Teilantwort gefunden: Die Gründung eines Student Digital Office (SDO). Das SDO ist ein Bindeglied zwischen Verwaltung, Lehrenden und Studierenden. Die Studierenden legen dort eigene Schwerpunkte fest und agieren als Kommunikatoren zwischen den Statusgruppen. Außerdem sind sie Ansprechpersonen für die digitale Lehre und beeinflussen die Weiterentwicklung ebenjener maßgeblich.

Es gibt schon einige feststehende Rahmenbedingungen für das SDO. So sollen zum Beispiel Hiwis eingestellt werden und eigene Begegnungsräume geschaffen werden. Die meisten Kernfragen sind jedoch noch unbeantwortet: Welche Aktivitäten sollen in dem SDO stattfinden? Wie wird das SDO in der Uni verankert sein?

Schon das Konzept eines solchen Offices ist partizipativ. Wir setzen uns aber das Ziel, auch den Prozess der Gründung und somit die Beantwortung aller Fragen partizipativ zu gestalten. Dabei beziehen wir die späteren Akteur*innen des SDOs, die Studierenden, nicht nur in einzelnen Leuchtturmmomenten ein. Sie sind im gesamten Prozess als entscheidende Stimme mit an Bord. Deshalb gibt es eine studentische Prozessbegleitungsgruppe, die darüber entscheidet, welche Personen, Hochschulgruppen und Institute wann und wie in diesem Prozess beteiligt werden. Am Ende fasst diese Gruppe die Ergebnisse des Prozesses gemeinsam mit mir zusammen und erarbeitet daraus ein Konzept.

Für unseren Prozess hoffen wir darauf, dass durch die intensive studentische Einbindung viele weitere Studierende teilnehmen und ein vermehrter Austausch zwischen den Statusgruppen entsteht. Auch im Hinblick auf zukünftige Projekte. Ziel ist es, ein bedarfsgerechtes Student Digital Office zu gründen, in dem die Studierenden gerne mitwirken.

 

Über die Motivation der studentischen Interessensvertretung

…was uns dazu bringt, die zehnte hochschulinterne Ordnung lieber zu studieren als unser eigenes Studienfach

von Sabine Giese

Eine gute Hochschule zeichnet sich für mich durch den Stellenwert studentischer Mitwirkung aus. Denn die Einbeziehung der Zielgruppe ist bedeutend für die Qualitätsentwicklung einer Organisation. In meinem Studium habe ich bereits zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen darüber gelesen. Besonders unverständlich ist mir daher, dass die Hochschulen sich zwar als Orte der Wissenschaft verstehen, sich dann aber oft selbst nicht an diese wissenschaftlichen Erkenntnisse halten. Die Meinung von Studierenden nimmt häufig einen sehr geringen Stellenwert ein.

Dennoch gibt es uns: Die Studis, die sich mehr in Gremiensitzungen an ihrer Hochschule aufhalten als in den Hörsälen und aktiv das Leben am Campus mitgestalten. Wir alle sind wahnsinnig bedeutsam für die Weiterentwicklung unserer Hochschulen.

Was uns motiviert ist vor allem die Selbstwirksamkeit. Wir wollen den Status-quo verändern, gleichberechtigte Studienbedingungen schaffen und einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Daneben spielen auch materielle Vorteile wie ein eigenes Büro auf dem Campus eine Rolle. Aber auch die sozialen Kontakte, die sich durch den „gemeinsamen Kampf“ entwickeln, sind wichtig.

Doch immer weniger Studierende wollen sich aktiv an ihrer Hochschule einbringen (vgl. Dippelhofer 2015).

Wieso haben wir keine Lust mehr auf Hochschulpolitik?
Darauf möchte ich mit einer Gegenfrage antworten: Würden Sie sich neben einem anspruchsvollen Studium unbezahlt gern in zahlreichen Gremien tummeln, in denen Ihre Meinung sowieso nicht ausreichend Wertschätzung erhält? Die fehlende Anerkennung des studentischen Engagements ist zugleich meist ihr Todesurteil. Die Gruppe der Professor*innen ist schwer von ihren festen Überzeugungen abzubringen. Für Studierende sind die direkten Einflussmöglichkeiten also sehr klein. Dazu kommt, dass Hochschulpolitik nicht gerade niedrigschwellig ist. Die Themen sind meist sehr kompliziert und zeitaufwendig. Außerdem ist die Arbeitslast sehr hoch.

Dabei ist es gar nicht schwer, etwas zu ändern. Vor allem die Mentalität muss sich wandeln. Studierende müssen mehr Wertschätzung und mehr Ressourcen für ihre Arbeit erhalten. Auch die Ausweitung der Mitbestimmungsmöglichkeiten ist maßgeblich. Der erste Schritt wäre jedoch mehr Transparenz. Studierende müssen die Gründe für Entscheidungen nachvollziehen können, um wirklich konstruktiv mitarbeiten zu können.

Wir müssen endlich vom Wir-gegen-Euch-Gedanken abkommen und beginnen, Hochschulen gemeinsam zu gestalten!

 

Vgl. Dippelhofer, S. (2012): Politische Orientierungen und hochschulpolitische Partizipation von Studierenden, Gießener Beiträge zur Bildungsforschung, Justus-Liebig-Universtiät Gießen, Fachbereich 03, Heft Nr. 2, Link: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2012/9008/pdf/DippelhoferPartizipation.pdf [zul. geprüft 25.01.2023]

Vgl. Dippelhofer (2015). Politisch-demokratische Orientierungen und hochschulpolitisches Engagement von Studierenden. Empirische Befunde, S. 147-150

 

 

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Dieser Artikel reiht sich ein in die Blogreihe zum Event “Let’s Talk:Campus”, das am 20. Oktober 2022 stattfand – digital und live in Berlin. Ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt bildeten Fragen der studentischen Partizipation und Nachhaltigkeit. Wir wollen entsprechende Diskussionen fortführen – unter anderem beim University:Future Festival 2023. Eine Anmeldung zum Festival ist hier möglich.

Das Event wurde vom Hochschulforum Digitalisierung (HFD) und in Partnerschaft mit der Stiftung Innovation in der Hochschullehre (StIL) veranstaltet.

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