Das Pandemie-Semester: Ohne Open-Source-Communities geht es nicht

Das Pandemie-Semester: Ohne Open-Source-Communities geht es nicht

03.06.20

Durch die plötzlich notwendige Umstellung auf die digitale Hochschule sind Lehrende – ob E-Learning/-Teaching-Erfahrene oder Neulinge – auf die an ihrer Hochschule genutzten Softwarelösungen angewiesen. Cornelis Kater (Leibniz Universität Hannover, Stud.IP und Community Working Group Open-Source-Lernmanagement-Systeme) zeigt, welche zentrale Rolle Open-Source-Angebote im Corona-Semester einnehmen. Daraus leitet er die noch einmal gestiegene Relevanz der Erklärung Freie Software für freie Lehre! großer Open-Source-Bildungsplattformen vor.

Open-Schild

So einen Semesterstart wie in diesem Frühjahr hat es noch nie gegeben: Die Flure der Hochschulen sind verwaist, die Hörsäle leer. Die Corona-Pandemie sorgt dafür, dass viele Erstsemesterstudierende ihre Hochschule noch nicht von innen gesehen haben. Dennoch läuft der Lehrbetrieb auf Hochtouren; die Hochschulen haben ein Online-Semester ausgerufen und ihren Betrieb praktisch ad hoc von Präsenz- auf digitale Lehre umgestellt.

Dass das möglich ist, ist einer spezifischen Eigenschaft der deutschen Hochschullandschaft zu verdanken: Dem flächendeckenden Einsatz von Open-Source-Software, die die Hochschulen zusammen mit den Entwicklungsgemeinschaften entwickelt haben und die deshalb exakt die Bedarfe abdecken.

Fast 3 Millionen Studierende nutzen eines der drei großen Lernmanagement-Systeme. ILIAS, Moodle und Stud.IP bilden damit das Rückgrat der Lehre an deutschen Hochschulen und sind ihre digitale Infrastruktur.

Diese digitale Basis ist bewährt und belastbar und ließ sich in der Pandemie innerhalb kürzester Zeit an die neue Situation anzupassen. So war es problemlos möglich, Videodienste und Medienserver, wie die Open-Source-Software BigBlueButton oder Opencast in ILIAS, Moodle und Stud.IP zu integrieren und damit neue Arten von digitalisierter Lehre anzubieten.

In der Pandemiesituation zeigte sich aber auch noch ein weiterer Vorteil der gemeinschaftlich entwickelten Software: Die Gemeinschaften selbst.

Hochschulen, Entwickler*innen und Supportunternehmen, die alle Bestandteil solcher Communities sind, betraten gemeinsam das Neuland des digitalen Semesters und tauschten ihre Erfahrungen in Wikis, Foren und Videokonferenzen aus. Neben Spezialitäten zur Software waren das auch Fragen wie: “Welche Kamera/welches Mikro nutze ich eigentlich am besten für Videokonferenzen?”. Antworten auf solche Fragen wurden gegeben, Wissen und Informationen bereitwillig geteilt, teils sogar gemeinsam Anleitungen und Hilfetexte erstellt.

Durch dieses Engagement gelang der Start ins Onlinesemester nicht nur, er gelang auch – zumindest dort, wo auf gemeinschaftliche Open-Source-Software wie ILIAS, Moodle und Stud.IP gesetzt wurde – ohne horrende Investitionen in Softwarelizenzen. Wenn investiert wurde, dann maßvoll und dergestalt, dass die Ergebnisse nicht nur einer Hochschule zugute kamen.

Dieses Gemeinschaftsdenken muss gestärkt und fortgeführt werden!

Vertreter*innen der deutschen Lernmanagement-Systeme haben sich bereits im vergangenen Jahr in einer Community Working Group des Hochschulforum Digitalisierung zusammengefunden, um über gemeinsame Entwicklungen und Anforderungen ihrer Plattformen unter den raschen Veränderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, zu sprechen.

Die deutschen Open-Source-Communities haben daher unter dem Titel „Freie Software für freie Lehre!“ eine Erklärung veröffentlicht, die ihre Rolle als kritische Infrastruktur zum Ausdruck bringt und Hochschulen sowie Bildungseinrichtungen einlädt, diese Erklärung zu unterstützen. Die Erklärung ist verbunden mit zehn Forderungen an die Politik, wie die Plattformen auch zukünftig weiterentwickelt werden können.

Nur durch die Erfahrung der engagierten Communities an den Bildungseinrichtungen und deren hohen Vernetzungsgrad untereinander ist es vielen Hochschulen gelungen, zum Start des Online-Semesters vollständig auf bewährte Open-Source-Lösungen zu setzen. Auf dieser Grundlage gilt es nun die nächste Generation von Online-Lehre aufzubauen, die die Interoperabilität zwischen den Plattformen und Hochschulen, die Nutzung offener Bildungsmaterialien und zukunftsfähige Lern- wie Kommunikationsformate in den Mittelpunkt stellt.

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