Umsetzungsstrategie Digitalisierung: Was ist gut, was fehlt?

Umsetzungsstrategie Digitalisierung: Was ist gut, was fehlt?

21.11.18

Spinnenweben mit Wassertropfen

Die Bundesregierung hat am 15. November ihre Umsetzungsstrategie zur Gestaltung des digitalen Wandels vorgestellt. Wir haben vier Mitglieder unserer Community um Kommentare gebeten. Fazit: Generell enthält die Strategie große Sprünge zur Bildung im digitalen Zeitalter. Im Bezug auf die Hochschulbildung bleiben dagegen viele wichtige Themen unberührt.

Schach.

Am 14. Und 15. November trafen sich Politikerinnen und Politiker zusammen mit Fachleuten und Stakeholdern im Hasso-Plattner Institut für Digital Engineering in Potsdam zur Sonderkabinettsklausur Digitalisierung. Dort wurde ein Papier mit 111 Maßnamen beschlossen, die als Website unter digital-made-in.de dargestellt werden. Die Vorhaben sind in fünf Handlungsfelder unterteilt. Insbesondere den durch den digitalen Wandel bedingten Transformationsprozessen im Bildungsbereich wird mit dem Handlungsfeld Digitale Kompetenz ein ganzer Abschnitt gewidmet.

Vier Handlungsfelder betreffen konkret die Arbeit des Hochschulforums Digitalisierung. Hierbei handelt es sich um:

Wir haben vier Community-Mitglieder um eine Einschätzung gebeten, wie die vier Themen eingeordnet werden können. Alle üben konstruktive Kritik – und loben gleichzeitig viele positive Elemente. Eine Gemeinsamkeit: Alle bemängeln, dass die veröffentlichte Strategie zu wenige Details enthält und damit viel Raum für Interpretation bleibt.

Wichtig: Es handelt sich um die individuellen Meinungen der Autor(inn)en und nicht zwangsläufig um diejenige des Hochschulforums Digitalisierung.

 

Nationale Weiterbildungsstrategie – ein Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Rolf Granow

Lichter.Die Umsetzungsstrategie umfasst in thematischen Clustern, Handlungsfelder genannt, eine Vielzahl von Projekten und Maßnahmen, in denen die im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen zur Digitalisierung umgesetzt werden. Das ist naturgemäß wenig überraschend, es machen sich alle auf den Weg und an die Arbeit. Wie das alles auf die angestrebten Ziele orchestriert wird, ist nicht so recht zu erkennen. Methodisch werden mit Zielgruppenorientierung und dem Bekenntnis zur Vorläufigkeit der Planung angesichts der Entwicklungsdynamik richtige und wichtige Weichen gestellt. Über Finanzierung ist wenig zu lesen – demnach müssen die erforderlichen Mittel und Ressourcen für die genannten Projekte also bereit stehen. Insofern ist die Umsetzungsstrategie ein wohl verlässlicher Rahmen, was wir in dieser Legislaturperiode zu erwarten haben – und was eben nicht.

Zum Thema Bildung finden sich substantielle Beiträge in drei Handlungsfeldern: Im Handlungsfeld „Moderner Staat“ findet sich erfreulicherweise das Projekt „BAföG-online“ mit erstaunlich hohem Konkretisierungsgrad und klugen Ansätzen; es hat auch schon begonnen. Ein wichtiges und mutiges Projekt mit hohem Nutzen für die Zielgruppe, dabei allerdings sehr schwierigen administrativen Grundlagen und hohen Integrationsanforderungen. Damit übernimmt das BMBF in einem seiner hochschulischen Kernprozesse eine Vorreiterrolle für die Digitalsierung des administrativen student-life-cycle. Die Terminachse ist angesichts der internen Komplexität durchaus ehrgeizig. Darin liegt die Chance für einen recht großen Wurf mit erheblicher Ausstrahlungskraft, der in seinem Ansatz deutlich über die pflichtgemäße Erfüllung gesetzlicher Vorgaben hinausgeht.

Die recht umfangreichen inhaltlichen Bildungsthemen finden sich im Handlungsfeld „Digitale Kompetenz“ – mit Ausnahme der Hochschulbildung, die unter „Innovation und digitale Transformation“ enthalten ist. Die Sachlogik dieser Trennung erschließt sich nicht ohne weiteres. Schaut man sich die einzelnen Bildungsprojekte an, so ist festzustellen, dass die bestehende Versäulung des Bildungssystems in Schule, berufliche Bildung, Hochschule, Weiterbildung nicht angetastet wird. Auch von Durchlässigkeit und Übergängen zwischen den Säulen ist im Kontext der Digitalisierung nicht die Rede. Die Digitalisierungsmaßnahmen der Bildungsbereiche sind unabhängig und losgelöst voneinander definiert.

Neugierig macht die „Nationale Weiterbildungsstrategie“. In den dazugehörigen Texten kommt der Begriff Digitalisierung und der mögliche Einfluss von Digitalisierung auf Weiterbildung nicht vor. Der Text selbst klingt im Kontext der Umsetzungsstrategie merkwürdig archaisch  – diese Ziele hatte Weiterbildung schon immer und wird sie auch weiterhin haben. Das Behandlung des Themas Weiterbildung in der digitalen Gesellschaft ist noch nicht begonnen, aber immerhin auch nicht vergessen. Dementsprechend ist das geplante Ergebnis zunächst einmal ein Entwurf einer nationalen Weiterbildungsstrategie für Mitte 2019. So lange müssen wir uns also noch gedulden und können gespannt sein. Aus dem Kontext gesehen umfasst die „Nationale Weiterbildungsstrategie“ sicherlich die berufliche Weiterbildung, hoch wünschenswert wäre eine integrale Einbeziehung der wissenschaftlichen Weiterbildung: nicht nur, weil diese ansonsten überhaupt nicht adressiert wird, sonder vor allem, weil die Zielgruppen dieses so auch nicht unterscheiden, insbesondere in der modularen Weiterbildung außerhalb von Studiengängen. Die Möglichkeiten digitaler Weiterbildung im Rahmen lebenslangen Lernens werden derzeit schon, international aber auch bei uns in Deutschland, von digital hoch kompetenten Menschen in starkem Maße außerhalb des regulierten, bzw. formalen Weiterbildungssystems genutzt. Das wird sich in Zukunft noch viel stärker entwickeln, vor allem wenn wir die digitale Kompetenz der Menschen in der Breite nach vorn bringen. Das wäre ein wichtiger Gesichtspunkt für die Erarbeitung einer nationalen Weiterbildungsstrategie, die sich an den Bedürfnissen der Menschen in einer Arbeit-4.0-Gesellschaft orientiert.

Bei den Maßnahmen in der Hochschulbildung fällt auf, dass das HFD, für dessen Blog wir hier schreiben, dort nicht erwähnt ist. Das ist inhaltlich schade, da gerade das HFD die zur Zeit schon existierende (und auch finanzierte) Plattform ist, die den Transfer der Forschungsergebnisse und der Erkenntnisse aus den Modellhochschulprojekten in die Breite des Hochschulsystems leisten könnte – eben ein strategisches Strukturelement zur Orchestrierung der Einzelmaßnahmen. Abgesehen davon: die vom BMBF definierten beiden Projekte zur digitalen Hochschulbildung sind nur zu begrüßen: auf der einen Seite die verlässliche Weiterführung der schon begonnenen Forschungsrichtlinie, auf der anderen Seite die Abkehr von der Gießkannenförderung vieler kleinteiliger Experimentalansätze. Hier geht es jetzt um flächendeckende, breitenwirksame (und wohl auch nachhaltige) exemplarische Implementierung über alle Leistungsbereiche (Lehre, Forschung, Verwaltung) – das ist genau das, was jetzt fehlt. Viel weiter kann eine digitale Umsetzungsstrategie nicht gehen, ohne das bestehende Bildungssystem in seiner Struktur und föderalen Verfasstheit zu verändern – was derzeit politisch nicht gewollt ist. Zusammen mit der Digitalisierung seiner eigenen Prozesse beim BAföG hat das Haus seine Hausaufgaben hier gut gemacht, freuen wir uns auf die rasche Umsetzung.

Prof. Dr.-Ing. Rolf Granow war bis zu seiner Pensionierung am 10. September 2018 Geschäftsführer der oncampus GmbH sowie Präsidiumsbeauftragter für E-Learning und Weiterbildung an der TH Lübeck.

 

Förderung von digitalen Kompetenzen in Heilberufen – ein Kommentar von Priv.-Doz. Dr. med. Sebastian Kuhn, MME

Roboterhand.Die digitale Transformation der Medizin ist ein aktuell stattfindender, fundamentaler Wandlungsprozess der das Gesundheitssystem, die beteiligten Kliniken und Praxen sowie die Gesundheitsberufe und Ärzteschaft umfasst. Eric Topol beschreibt in diesem Kontext die zunehmende „Superkonvergenz“ der Informationstechnologien mit Biotechnologie, die das bisherige Gesundheitssystem in ein neues, digitales Gesundheitssystem verwandeln. Die zentralen Eigenschaften sind hierbei Individualisierung, Präzision und Prävention. Es wird erwartet, dass ein datenbasiertes Gesundheitssystem entsteht, welches durch hybride Arbeitsmodelle von Mensch und Maschine, eine ausgeprägte interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine starke Integration des Patienten gekennzeichnet sein wird.

Digitale Kompetenzen für ein neues Zeitalter

Der notwendige Kompetenzerwerb verlangt eine grundliegende und aktive Auseinandersetzung mit den Kernthemen der digitalen Transformation und den übergeordneten Fertigkeiten. Ärzte und Gesundheitsberufe müssen Kompetenzen besitzen, um den Veränderungsprozess zu verstehen und um neue digitale Behandlungskonzepte einordnen zu können. Sie müssen praktische Fertigkeiten erlernen und ihre Haltung zur digitalen Medizin reflektieren. Es gilt, die für die Patienten sinnvollen Entwicklungen in der Praxis kompetent anzuwenden und Fehlentwicklungen zu meiden. Die Verfolgung einer interprofessionellen Strategie scheint hierbei zielführend zu sein, da durch die digitale Transformation die Arbeitsteilung zwischen Patienten, Gesundheitsberufen und Ärzten grundliegend verändert wird und eine verstärkte interprofessionelle Kommunikation erfordert.

Unzureichend auf den digitalen Wandel vorbereitet

In Bezug auf die ärztlichen und pflegerischen Ausbildung lohnt ein Blick auf den Status quo. In den Ausbildungscurricula und Studienordnungen existieren digitale Kompetenzen nicht und auch der der im vergangenen Jahr verabschiedete Masterplan Medizinstudium 2020 verpasste es diese Aspekte adäquat zu adressieren. Dieser Missstand wurde nun erkannt. In der Umsetzungsstrategie der Bundesregierung wurde nun festgestellt: „Die zunehmende Digitalisierung des Gesundheitssystems muss auch in den Ausbildungen der akademischen und nicht-akademischen Heilberufe abgebildet werden. Das bedingt sowohl die Vermittlung notwendiger digitaler Kompetenzen als auch den sinnvollen Einsatz digitaler Lehr- und Lerntechnologien.“ Als Ziel wird postuliert: „Aufnahme digitaler Inhalte in die Ausbildungsangebote der akademischen und nicht-akademischen Heilberufe.“

Wir investieren aktuell Milliarden in Technologien. Müssen wir nicht auch parallel in die Qualifikation der Ärzte und Gesundheitsberufe investieren?

Die Implementierung konkreter curricularer Konzepte zur Vermittlung digitaler Kompetenzen steht noch ganz am Anfang. Im Mai 2017 fand als erstes Curriculum an einer deutschen medizinischen Fakultät „Medizin im digitalen Zeitalter“ an der Universitätsmedizin Mainz statt.

In einem Blended-Learning Format werden die zentralen Themen der Digitalen Transformation des Gesundheitssystems adressiert: Digitale Kommunikation, Gesundheits-Apps und Smart Devices, Telemedizin, Virtual Reality/Augmented Reality und Robotik sowie Big Data und Künstliche Intelligenz. Trotz dieses Leuchtturmprojekts sind wir von der notwendigen flächendeckenden Integration in den Aus-, Fort- und Weiterbildungscurricula derzeit meilenweit entfernt. Die Universitäten, Hochschulen und Bildungseinrichtungen des Gesundheitssystems haben bislang die Weichenstellung zu einer curricularen Erneuerung verpasst.

Um eine erfolgreiche Implementierung sicherzustellen, muss in der  Gesundheitspolitik mit organisatorischen, personellen und finanziellen Maßnahmen die hierfür notwendigen Rahmenbedingungen jetzt geschaffen werden. Die bisher publizierte halbe DIN A-4 Seite der Umsetzungsstrategie Digitalisierung kann nur ein erstes Signal sein, dass dieses Thema jetzt angegangen wird. Denn eines ist sicher: Die Zeit drängt! Im Gegensatz zur curricularen Implementierung hat die Medizin der Zukunft schon begonnen. Diese müssen wir aktiv mitgestalten und die Qualifizierung der Ärzteschaft und Gesundheitsberufe ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg.

Sebastian Kuhn ist Arzt, Unfallchirurg und Orthopäde, Ausbildungsforscher und Hochschuldidaktiker. Er arbeitet Oberarzt am Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universitätsmedizin Mainz.

 

Digitalisierung des Hochschulsystems – ein Kommentar von Dr. Tina Ladwig

Spinnenweben mit WassertropfenDer im Koalitionsvertrag vereinbarte Wettbewerb für digital innovative Hochschulen oder Hochschulverbünde soll Hochschulen bei der Digitalisierung in allen Leistungsbereichen unterstützen. Voraussetzung ist der Abschluss einer Bund-Länder-Vereinbarung. Der Wettbewerb soll Hochschulen breitenwirksam bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler, ganzheitlicher Strategien in allen Leistungsbereichen der Hochschulen unterstützen und das zielgerichtete Entstehen von Synergien zwischen den verschiedenen Leistungsbereichen ermöglichen.

Ziele: Es soll neues Wissen über Wirkung und Wirksamkeit digitaler Bildungsformate in der Hochschullehre erarbeitet und die Digitalisierung der Hochschulbildung in der Breite unterstützt werden.

Der Ansatz, digitale Medien im Gesamtkontext der Hochschullehre zu sehen, ist sehr zu begrüßen. Dabei stellt insbesondere die Erforschung von Wirksamkeit mit Blick auf die Zielgruppe der Lehrenden, die einerseits Wissenschaftler_innen und andererseits Lehrpersonen mit einem Verständnis von guter Lehre sind, einen wichtigen Schritt dar.

Damit einher geht die Chance und gleichzeitig die Herausforderung eines ganzheitlichen Forschungsansatzes, der sowohl einen Ebenen-übergreifenden als auch einen multiperspektivischen Zugang verfolgt. Zum einen bedeutet dies, dass es die angesprochene Bund-Länder-Vereinbarung braucht, um die gemeinsam ausgehandelten Ziele und Handlungsfelder, die mit der Digitalisierung verfolgt werden, zu konkretisieren und zu verankern sowie zwischen den Hochschulverbünden und den einzelnen Hochschulen zu thematisieren und zu diskutieren.

Zum anderen braucht es einen multiperspektivischen Aushandlungsprozess, der sowohl die strategischen Handlungsziele als auch strukturelle und kulturelle Aspekte berücksichtigt. Will man einen bundesweiten Überblick über das Phänomen Digitalisierung in der Hochschulbildung bekommen, bedeutet dies einerseits, dass länderspezifische Ansätze identifiziert und analysiert werden. Im Rahmen des Forschungsprojektes BRIDGING erhalten wir aktuell Einblicke in Hochschulverbünde aus vier Bundesländern, in denen Hochschulen gemeinsam Wege für die digitale Hochschulbildung entwickeln und beschreiten. Diese Hochschulverbünde sind der Beweis, dass Digitalisierung nicht nur für die Profilierung von Hochschulen instrumentalisiert werden muss, sondern dass Kooperation und Vernetzung genutzt werden können, dem komplexen Phänomen Digitalisierung gerecht zu werden.

Andererseits muss auch die Vielzahl an Akteuren, jenseits von Lehrenden und Studierenden, berücksichtigt werden, wenn man Digitalisierung breitenwirksam in der Hochschulbildung verankern will. Sowohl Hochschulleitungen als auch beratende und unterstützende Einrichtungen sind aufgefordert, sich den Anforderungen an Entwicklung, Transfer und nachhaltiger Implementierung und den damit einhergehenden sich wandelnden Rollenverständnissen der Akteur_innen in digitalen Zeiten zu stellen. Eine breitenwirksame Verankerung von gemeinsam ausgehandelten Zielvorstellungen und Handlungsfeldern kann somit nur dann gelingen, wenn es

a) einen gemeinsam ausgehandelten Handlungsrahmen gibt und wenn es

b) Freiräume gibt, die Wege sowohl hochschulautonom als auch in Kooperationen für den eigenen Kontext zu gestalten und zu beschreiten.

Gerade dafür braucht es auch die verschiedenen Forschungsschwerpunkte sowie eine wissenschaftliche Begleitung, was mit den vier Förderlinien bereits angestoßen wird.

Insbesondere die Projekte aus der Förderlinie 2 zur Digitalen Hochschulbildung bieten trotz der Diversität der unterschiedlichen Projekte aufgrund der Komplexität des Phänomens eine gute Basis. Soll ein wie von der Bundesregierung gefordertes breitenwirksames Konzept identifiziert werden, müssen die Erkenntnisse aus den Förderlinien geteilt und gemeinsam diskutiert werden. Dafür braucht es Offenheit im Sinne des Open-Science-Ansatzes. Durch die hohe kontextspezifische Interpretation von Digitalisierung im Hochschulsystem ist es unumgänglich, neben den Forschungsergebnissen auch die Forschungsdaten zur Weiterverwendung und Vernetzung zur Verfügung zu stellen. Warum nicht auch hier die Potenziale einer digital unterstützten Infrastruktur für die Verzahnung von Erkenntnissen ausschöpfen? Durch diesen Gedanken der Offenheit könnten auch individuelle Forschungsergebnisse (wie aus den Fellowship-Projekten) oder projektbezogene Ergebnisse (wie aus vorherigen Förderlinien oder dem Qualitätspakt Lehre) in den Diskurs zu digitaler Hochschulbildung integriert und miteinander verglichen und ggf. verzahnt werden. So kann auch dem Bestreben, Synergien im Bereich digitaler Hochschulbildung herzustellen, wie es beispielsweise im Bereich der länderbezogenen Hochschulverbünde der Fall ist, Rechnung getragen werden.

Dr. Tina Ladwig ist Projektleiterin der Hamburg Open Online University (HOOU) an der TU Hamburg und betreut dort den Entwicklungs- und Umsetzungsprozess offener digitaler Lehr- und Lernformate. Sie ist Mitglied der Expert(inn)engruppe „Konzeption und Plattform“ in der HOOU.

 

BAföG Online – ein Kommentar von Oliver Iost 

Leiter.In der Umsetzungsstrategie Digitalisierung der Bundesregierung geht es auch um Online-BAföG. Das BAföG soll „medienbruchfrei und vollständig“ online beantragt werden können. Konkreter wird lediglich erwähnt, dass neben eID und De-Mail weitere Identifikationsverfahren „geprüft“ werden sollten, vor allem ein ELSTER-ähnliches Verfahren.

Die Praxis der schon bestehenden digitalen Lösungen zeigt jedoch, dass nicht das Identifikationsverfahren das entscheidende Problem darstellt. Die abschließende Identifikation postalisch einzusenden unter Bezugnahme auf eine Antrags-ID würde den meisten Antragstellern genügen. Auch das die Steuerbescheide der Eltern möglicherweise dann erst als Kopie in Papierform beigelegt werden können, dürfte nicht sonderlich stören.

Denn vor allem anderen kranken die aktuell von den Ländern bereitgestellten BAföG-Online-Versionen an ihrer mangelhaften Bedienbarkeit und der Tatsache, dass sie jeweils nur für die Ämter des jeweiligen Bundeslandes zuständig sind.

Schon die Tatsache, dass es inzwischen mindestens drei kommerzielle Anbieter gibt, welche die Online-Antragstellung des BAföGs für 20 bis 30 Euro anbieten mit dem Versprechen, er würde bei ihnen schneller und einfacher erledigt werden können, spricht Bände. Medienbruchfrei und vollständig ist dabei der Antrag gar nicht (was die Anbieter zwar nicht besonders betonen, aber eben auch nicht das entscheidende Problem ist). Doch die Nutzer werden mit einer optisch ansprechenden Oberfläche an die Hand genommen, die auch auf Smartphones funktioniert.

Bei komplexen Fällen leisten sich die kostenpflichtigen Anbieter zwar auch Ungenauigkeiten und geben nur noch wenig Hilfestellung, aber wer so weit gekommen ist, dürfte sich dann hoffentlich nicht mehr aufhalten lassen, denn die Anfangshürden sind die Größten – gerade bei den Länder-Portalen. Niemand möchte erst lange formal-juristische Erläuterungen lesen.

Die bestehenden Portale der Länder sind noch dazu auf die Ämter ihres Bundeslandes beschränkt. Schon beim Auslands-BAföG muss der geneigte Antragsteller erst einmal herausfinden, welches Amt in welchem Bundesland denn zuständig ist. Gleiches gilt auch, wenn die Hochschule (bei privaten öfter der Fall) ihren Sitz in einem anderen Bundesland hat, als in dem, in dem studiert wird. Die Bedienoberfläche der Länderportale ist meist nur gerade noch brauchbar, auf dem Smartphone aber meist schon indiskutabel.

Leider scheint die Digitalisierungsstrategie beim BAföG-Online die vollkommen falschen Prioritäten zu setzen. Als erstes muss das Portal leicht bedienbar sein und darf nicht  aus einer Ansammlung von 16 verschiedenen Länderlösungen bestehen. Die Frage der abschließende Identifikation oder der Möglichkeit, alle nötigen Nachweise digital einsenden zu können, sollte zwar auch gelöst werden. Aber vor allem anderen steht eine vernünftige, bundesweit einheitliche, mobil-taugliche Oberfläche mit verständlicher, einfacher Sprache und gutem Hilfesystem.

Oliver Iost ist Herausgeber von Studis Online und Programmierer des bekannten BAföG-Rechners.

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