„Ein Platz am Fenster“

„Ein Platz am Fenster“

16.04.24

"Ein Platz am Fenster". Untertitel: HFD-Magazin strategie digital zum Thema „Zukunftsorientierte Lernräume”. Logo rechts unten: Hochschulforum Digitalisierung.

Wie sieht für Studierende eine ideale Lernumgebung aus und was macht eine geeignete und attraktive „Lernatmosphäre“ aus? Wie können sie bei der Lernraumplanung auf Augenhöhe eingebunden werden? Diese Fragen beantworten Studierende der Carl von ­Ossietzky Universität Oldenburg aus ihrer Perspektive.

Attraktiver Lernraum als Voraussetzung für ein erfolgreiches Studium

An der Universität Oldenburg setzen wir uns als Team aus studentischen Hilfskräften innerhalb des Projektes participate@UOL aktiv für mehr und besseren Lernraum für alle Studierenden ein. Denn wir sind der festen Überzeugung, dass attraktiver und geeigneter Lernraum kein Privileg sein darf, das ausschließlich einzelnen Studierenden zusteht. Vielmehr ist es ein Recht, das jede:r Student:in in Anspruch nehmen können sollte – und was mit entsprechender Ausstattung sowie Verfügbarkeit zudem eine Grundvoraus­setzung für erfolgreiches Studieren ist. Eine zukunftsorientierte Lernraumgestaltung an einer Präsenz-Universität muss vor allem nach der Covid-19-Pandemie den Mehrwert physischer Räumlichkeiten herausstellen. Deshalb haben wir ein Team zusammengestellt, das die Bedarfe der Studierenden nachvollziehen kann und in einem iterativen Prozess versucht, diese in Raumkonzepte zu „übersetzen“.

Die Frage nach der individuell perfekten Lernumgebung stellt sich wohl jede:r Student:in früher oder später. Sie ist für uns, auf andere Weise als z. B. für Menschen, die einen festen Arbeitsplatz im Büro oder zu Hause haben, von großer Bedeutung. Viele der Studierenden, die einen ruhigen Lernraum auf den beiden Campus der Uni Oldenburg suchen, leben in einer WG und finden dort keine ausreichenden Rückzugsmöglichkeiten, um sich vollends auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Damit einhergehend ist generell eine räumliche Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsbereich wichtig, unabhängig von der konkreten Wohnsituation. So bedeutet Studieren in den meisten Fällen, von geregelten Zeiten und beständigen Räumlichkeiten losgelöst zu arbeiten.

Infobox participate@UOL:

 

Im von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre geförderten Projekt „participate@UOL“ geht es um die Verbesserung der Partizipation Studierender bei der Aus­gestaltung von Lehre und Lernen an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Dazu sollen Experimentierräume wie Teaching & Learning Labs geschaffen werden, in denen gemeinsam von Studierenden und Lehrenden neue Lehr-/Lern-Formate entwickelt, ausprobiert und umgesetzt werden. Die Einbindung Studierender in die Lernraumgestaltung ist ein wesentliches Teilziel von participate@UOL.

 

Das Learning Lab an der Uni Oldenburg mit flexiblen Sitz- und Stehmöglichkeiten.

Abb. 1: Das Learning Lab an der Uni Oldenburg mit flexiblen Sitz- und Stehmöglichkeiten.

Für die partizipative Konzeption eines Raumes, der ständiger Fluktuation ausgesetzt ist und gleichzeitig eine angenehme Lernatmosphäre bieten soll, haben wir mit weiteren Teilbereichen des participate@UOL-Projekts (u. a. mit der Internen Evaluation und der Sprachforschung) kooperiert. Daraus ­ergab sich für uns eine der wichtigsten Erkenntnisse zur Einbindung Studierender: die Vernetzung und Kooperation mit den zentralen Einrichtungen der Universität. Anstatt dass wir z. B. per separater E-Mail oder Ankündigung innerhalb des Lernmanagementsystems um das Ausfüllen eines Feedback­bogens bitten, reduzierten wir die hohe Anzahl solcher Aufforderungen, indem wir in Kooperation mit der Internen Evaluation einen eigenen Bereich innerhalb der halbjährlichen Studierendenbefragung konzipierten. Bezüglich der Nachhaltigkeit unserer Studierendensprechstunde, Lerncommunity und weiterer kleiner partizipativer Formate suchten wir Gemeinsamkeiten zu bestehenden Formaten, damit sie auch nach Projektende weiterhin mindestens personell betreut werden. 

Begegnung und Kommunikation auf Augenhöhe

Von Beginn an hat uns die Frage nach der Art und Weise studentischer Bedarfsermittlung und konkret gestalteter, kontinuierlicher Partizipation begleitet. Wir diskutierten viel über die Möglichkeiten, mit Studierenden verschiedener Fakultäten ins Gespräch zu kommen, und lernten, welche Wege eher zum Scheitern als zum Erfolg führten. Im Laufe des letzten Jahres haben wir daher zahlreiche Methoden ausprobiert, von denen wir die folgenden als besonders effektiv erachten.

Als besonders zielführend – sowohl bei der Bedarfsermittlung als auch bei den Workshop-Formaten – schätzen wir das Peer-to-Peer-Prinzip ein; wenn also Studierende mit anderen Studierenden über ihre Erfahrungen, Wünsche und Kritik sprechen. Ein solches Gespräch birgt das Potenzial, eher auf Augenhöhe stattzufinden und öfter Anknüpfungspunkte zu ergeben, wodurch das Verständnis für die eigentlichen Bedürfnisse sowie deren Übertragung in ein Raumkonzept gefördert werden kann. Wir als studentische Hilfskräfte haben einen besseren Draht zu unseren Mitstudierenden; selbst wenn Hierarchien zwischen Mitarbeitenden und Studierenden im Projekt möglichst abgebaut sind.

Als besonders zielführend – sowohl bei der Bedarfsermittlung als auch bei den Workshop-Formaten – schätzen wir das Peer-to-Peer-Prinzip ein; wenn also Studierende mit anderen Studierenden über ihre Erfahrungen, Wünsche und Kritik sprechen.
Studentische Hilfskräfte bauen Hierarchien ab und neue Zugänge auf (erstellt mit Midjourney).
Abb. 2: Studentische Hilfskräfte bauen Hierarchien ab und neue Zugänge auf (erstellt mit Midjourney).

Zudem haben wir, neben Besuchen in studentischen Gremien, Austausch mit Fachschaften und Aktionen individueller Begegnung, das Gespräch in konkreten Veranstaltungen gesucht. In verschiedenen Workshops zum Thema „Studieren an der Uni Oldenburg“, an denen jede:r Student:in teilnehmen konnte, kamen wir mit unseren Kommiliton:innen ins Gespräch und sammelten zahlreiche Vorschläge und Wünsche für einen guten Lernraum. Die Erwartungen, was die Anzahl an Teilnehmenden angeht, empfehlen wir dabei grundsätzlich niedrig zu halten und sich je nach Verbindlichkeit des Formates konzeptionell darauf einzustellen, mit drei bis dreißig Teilnehmenden zu arbeiten. Auch empfanden wir die Wahl des Zeitslots (inner-/außerhalb der Veranstaltungszeit; während/zwischen Seminaren, …) als eine Herausforderung, die es im steten Gesprächsverlauf abzuschätzen gilt. Sofern es inhaltlich passt, ist weiterhin ein Angebot an hochschulweiten Veranstaltungen (z. B. am Tag des Lehrens und Lernens) empfehlenswert. Neben zeitlich festgelegten Events sind wir zusätzlich auf der Plattform Instagram (@participate_uol) präsent. Hier posten wir regelmäßig Informationen zu Ver­anstaltungen, bei denen die Meinung der Studierenden gefragt ist. Für Nachfragen und Anregungen außerhalb der Veranstaltungen sind wir ebenso jederzeit auf Instagram erreichbar. Weiterhin betreiben wir einen WordPress-Blog, der einen besonderen Fokus auf studentische Perspektiven legt.

Eine gute „Lernatmosphäre“ – der gemeinsame ­Nenner

Nach dem Austausch mit Studierenden verschiedenster Fächer­kombinationen kamen wir zu der Erkenntnis, dass alle von ihnen zumindest in einem Punkt eine gemeinsame Vorstellung von der idealen Lernumgebung haben: In ihr soll eine gewisse „Lernatmosphäre“ herrschen. Doch was genau ist eine „Lernatmosphäre“? Und wie lässt sich diese erreichen? Bezüglich dieser Fragen haben wir etliche teilweise unterschiedliche, teilweise sich überschneidende Antworten gefunden.

Für insbesondere Einzel- und bestimmte Phasen von Gruppenarbeit empfinden viele Studierende eine ruhige Umgebung, in der andere Menschen ebenfalls arbeiten und lernen, als geeignet und motivierend, um selbst in einen „Lern-/Schreibflow“ zu gelangen. Zudem sollten typische benötigte Materialien, z. B. Zettel und Stifte, aber auch Tablets, Computer und Steckdosen, immer in Arbeitsplatznähe sein. Das erleichtert das Lernen ohne unangenehme Unterbrechungen. Gerade für kollaborative Prozesse werden Hilfsgegenstände von Flipcharts über Touchscreens bis hin zu flexiblem Mobiliar gewünscht. Studierende wünschen sich darüber hinaus Möglichkeiten zum Entspannen und Regenerieren in ihrer unmittelbaren Lern­umgebung. Das kann beispielsweise ein Sofa sein, auf das man sich für einige Minuten setzt oder legt. Für andere wiederum wirkt Bewegung wie ein Katalysator, um den Kopf frei zu kriegen. Sie wünschen sich z. B. ein Laufband in der Nähe ihres Lernortes oder einen attraktiven Campus, über den man gerne spaziert.

Viele Studierende wünschen sich beim Lernen ­einen Platz am Fenster, von dem aus die Natur und das Sonnenlicht näher rücken. Ein solcher Ausblick macht gute Laune und motiviert zum Arbeiten.

Hier kommen wir auch schon zum nächsten großen Punkt: die Aussicht. Bei der Suche nach dem perfekten Lernort wurde vermehrt deutlich gemacht, dass eine angenehme Lernatmosphäre ebenfalls von einer attraktiven Umgebung abhängt. So wünschen sich viele Studierende beim Lernen ­einen Platz am Fenster, von dem aus die Natur und das Sonnenlicht näher rücken. Ein solcher Ausblick macht gute Laune und motiviert zum Arbeiten. Außerdem treibt viele Studierende beim Arbeiten der Geschmack einer Tasse guten Kaffees oder (Schwarz-)Tees an. Als eine Art Mini-Reset fungierend, ist diese wohl für kaum jemanden von uns wegzudenken.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei unserer Suche nach dem perfekten Lernort schnell klar wurde, dass es – ganz nach dem Motto one size doesn’t fit all – nicht „den einen“ Lernort gibt. Die Vorstellungen davon, was ein guter Lernraum ist, sind so vielfältig wie die Studierenden selbst. Jede:r Student:in hat unterschiedliche Bedürfnisse, die sich aus der individuellen Lern- und Lebenswirklichkeit ergeben, wodurch es wiederum notwendig wird, Raumkonzepte deutlich mit Nutzungsvielfalt zusammenzudenken. Um schließlich dem lebenswirklichkeitsbedingten Wunsch nach räumlicher Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsbereich nachzukommen, ist es unabdingbar für eine Universität – die sich zunehmend wieder als Präsenz-Universität versteht –, sich mit dem Thema Lernorte, -atmosphäre und Campus­gestaltung intensiver als bisher auseinanderzusetzen.

Lernatmosphäre geht über Tische und Stühle hinaus (erstellt mit Midjourney).
Abb. 3: Lernatmosphäre geht über Tische und Stühle hinaus (erstellt mit Midjourney).

Vorhandene Raumkapazitäten nutzbar machen

An der Uni Oldenburg herrscht wie an vielen Hochschulen und Universitäten großer Raummangel. Das fällt nicht nur den Lehrenden auf, z. B. bei der Verteilung der Räume für Vorlesungen und Seminare, sondern auch den Studierenden. Sobald man die Cafeteria, die Bibliothek oder andere an der Uni Oldenburg rar gesäte Lernflächen von Montag bis Freitag nach 10 Uhr morgens aufsucht, findet man kaum noch einen freien Platz. Vor allem zu den Stoßzeiten direkt nach Beendigung der Seminare sind alle Plätze auf dem Campus restlos belegt.

Wir machen uns deswegen nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ für attraktiven, flächendeckenden Lernraum stark. Es gibt weitere ungenutzte räumliche Kapazitäten auf beiden Campus (Stichwort: transparente und flexible Seminarraumnutzung), die wir als zu schön ansehen, um aus ihnen keinen (veranstaltungsunabhängigen) Lernort für Studierende zu gestalten. In den Räumlichkeiten unserer Mediathek, die sich im Bibliotheksgebäude der Uni befindet, entsteht z. B. gerade im Rahmen von participate@UOL in Zusammenarbeit mit der Bibliothek ein Learning Lab. In diesem wird (neben der bestehenden Ausleihe von DVDs und Lehr-/Lernmaterial) aktiv ein neuer, innovativer Lehr- und Lernraum geschaffen, an dessen Gestaltung Studierende u. a. in Form von Design-Workshops und Feedback-Kanälen partizipativ mitwirken können. Einige eingebrachte Ideen und Wünsche zur Lernraumgestaltung wurden bereits z. B. in Form von flexiblem Mobiliar (leicht verstellbare Sitzmöglichkeiten und Tische in verschiedenen Höhen) und Technik (Touchscreens & Multitouchtisch zum kollaborativen Arbeiten) umgesetzt.

Im Learning Lab soll zukünftig in gemütlicher Atmosphäre (mit vielen Fensterplätzen) ein Ort der Begegnung zwischen Studierenden und in bestimmten Kontexten auch zwischen Studierenden und Lehrenden entstehen. So sind z. B. bereits Peer-to-Peer-Angebote und die Etablierung einer Lern­community in Planung. Umfassend sollen daher sowohl Gruppen- und Einzelarbeiten als auch innovative Seminarsitzungen möglich sein.

Insgesamt ist die Konzeption gelingender, nachhaltiger und vielfältig nutzbarer Lernräume zwar von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, allerdings sollte stets der Stellenwert kontinuierlicher Partizipation Studierender als primäre Nutzenden­gruppe bedacht werden. Wir hoffen, mit unseren Bemühungen, mehr Partizipationsmöglichkeiten in verschiedene Hochschulbereiche zu implementieren, die Studierenden dazu anzuregen, sich mehr bei der Gestaltung des Studiums einzubringen und ihre Lernumgebung aktiv zu gestalten. Der Campus ist für die Studierenden ein Ort, an dem sie einen Großteil ihrer Zeit im Studium verbringen und mit Präsenz­regelungen auch verbringen sollen. Warum sollten sie also kein Mit­spracherecht haben, wenn es um dessen Gestaltung geht? 

Den vollständigen Beitrag inklusive Abbildungen finden Sie in der aktuellen Ausgabe von strategie digital. Sie möchten mehr zum Thema “Zukunftsorientierte Lernräume” an Hochschulen lesen? In der vierten Ausgabe von strategie digital finden Sie weitere Beiträge, Fallbeispiele und Interviews rund um dieses Thema. 

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Ansprechpartnerin für das Magazin ist Josephine Sames.

Portrait von Isabel Larisch

Isabel Larisch studiert im Master Geschichte und Philosophie auf Lehramt an der Universität Oldenburg. Im Projekt participate@UOL ist sie hauptsächlich für die Gestaltung von Lernräumen und die Kooperation mit Studierenden, vor allem über Social Media, ­zuständig.

Friederike Ulses

Friederike Ulses studiert Ev. Religion und Englisch im M. Ed. an der Universität Oldenburg. Im Projekt participate@UOL kümmert sie sich um Organisation, Vernetzung und digitale Repräsentation sowie mit einem Team um den Aufbau einer studentischen Lerncommunity im ­Rahmen des HFD-Train-the-Trainer-­Programmes.

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