Nachhaltige „Leuchttürme“? Ein kritischer Ausblick

Nachhaltige „Leuchttürme“? Ein kritischer Ausblick

10.01.17

Inzwischen gibt es eine Vielzahl innovativer digitale Lehransätze an deutschen Hochschulen. Die Nachhaltigkeit dieser Ansätze ist eine zentrale Herausforderung. Ein Kommentar von Jürgen Handke.

Anfang Dezember hat das Hochschulforum Digitalisierung zahlreiche Handlungsempfehlungen veröffentlicht, wie die Digitalisierung der Lehre zügiger und wirkungsvoller in die Breite gebracht werden kann. Es sind u.a. Empfehlungen an die Lehrenden ergangen, welche Wirkung integrative Lehrformate á la Inverted Classroom entfalten und die Lehre damit auf ein bisher nicht gekanntes Niveau gehievt werden kann, Studierende haben z.B. von der Verbesserung der Studierfähigkeit durch die neue digitale Lehre erfahren, und man hat versucht, Hochschulleitungen mit neuen Möglichkeiten der Internationalisierung ins Boot zu bekommen.

Digitale „Leuchttürme“ zu „Lichtbatterien“?

Zusätzlich erhofft man sich, dass die wenigen „Leuchttürme“ ihre Strahlkraft vergrößern und möglicherweise zu „Lichtbatterien“ werden und die Digitalisierung der Lehre schneller in die Breite geht. Auf diese Weise soll aus einem überschaubaren Flickenteppich allmählich ein lückenloses Gewebe digitaler Lehre entstehen. Kann das klappen?

Meiner Meinung nach hat man da etwas übersehen: Viele der „Leuchttürme“ sind „ungeliebte“ Kinder ihrer Fakultäten und Fachbereiche und dienen nicht oder nur bedingt als Aushängeschilder ihrer eigenen Hochschulen. In manchen Fällen sind sie sogar isolierte Exoten, deren Know-How hochschulintern eher gering geschätzt, extern dagegen in hohem Maße gewürdigt wird. An der eigenen Hochschule wird man möglicherweise froh sein, sie durch Weggang (Pensionierung, Wegbewerbung) loszuwerden und dem „Digitalisierungs-Spuk“ durch Neuberufung und Rückkehr zur klassischen Lehre ein Ende bereiten zu können. Nachhaltigkeit ade!

Man wird sich darauf berufen, dass die bisherigen Stellen der „Digitalisierer“, die ja aus den Fachwissenschaften kommen, zu keiner Zeit die Digitalisierung der Lehre als signifikanten Teil ihres Profils besaßen, sondern die digitale Lehre eher Hobby der Stelleninhaber war und dies für die dann wieder zu besetzenden Stellen somit auch nicht notwendig sei. Und so werden aus den „Leuchttürmen-Fächern“ wieder kleine „Teelicht-Disziplinen“.

Was ist zu tun?

Natürlich kann man Nachfolger nicht zwingen, die Digitalisierung der Lehre exakt im Sinne ihrer Vorgänger fortzuführen. Man kann den Hochschulleitungen aber klarmachen, welche Chance sie vertun, wenn wieder zu besetzende Stellen rückwärtsgerichtet ausgeschrieben werden und sie bitten, bei Neu- und Wiederbesetzungen genau hinzuschauen, inwieweit die Digitalisierung der Lehre Teil der jeweiligen Stelle bleiben sollte. Und man kann die Studierenden/Studierendenvertretungen bereits im Vorfeld eines Wegganges über die Konsequenzen der Rücknahme digitaler Angebote zu informieren: möglicherweise keine Online-Lehre mehr im Verhinderungsfall, keine FLOCKs, 2-in-1-Konzepte — digitale Angebote Ade! Möglicherweise machen sie sich ja dann stark für eine Art Weiterführung im Sinne des bisher Erreichten.

Dekanate und Hochschulleitungen allerdings wird man erst dann ins Boot bekommen, wenn entsprechende strategische Ausrichtungen in Punkto Digitalisierung vereinbart sind. In jedem Fall, sollte man gerade in den Geisteswissenschaften bei zukünftigen Stellenausschreibungen sehr genau „hinschauen“.

 

Der Artikel wurde ursprünglich auf der Seite des Projektes Digitalisierung der Bildung der Bertelsmann-Stifung veröffentlicht.

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