Organisation von Gender- und Diversity-reflektierenden Online-Konferenzen

Organisation von Gender- und Diversity-reflektierenden Online-Konferenzen

15.12.20

Papiervorhang.

Wie gestalten wir Online-Konferenzen möglichst barrierearm? Wie bilden wir das Soziale in Online-Konferenzen ab? Ein Werkstattbericht ist ein ungewöhnliches Format für den Blog des Hochschulforums Digitalisierung. Wissenschaftler*innen die Fachkonferenzen ins Digitale verlegen, profitieren von den geteilten Erfahrungen und der Expertise aus dem Netzwerk Gender und Diversity in der Lehre

Werkstattbericht des Online-Netzwerktreffens Gender und Diversity in der Lehre  ̶  Martin-Luther-Universität meets FernUni Hagen

oder
Bericht über die Organisation einer Gender- und Diversity-reflektierenden Online-Konferenz

Um diese breite Palette an Erfahrungen gut strukturiert darstellen zu können, beschreiben wir sie in diesen Beitrag entlang der Organisation einer Netzwerk-Konferenz und achten dabei immer wieder darauf vom Einzelfall auf die Meta-Ebene zu abstrahieren. 
Dazu halten wir fest, wie zu Beginn des Lockdowns im März und April 2020 eine Konferenz in einem ad-hoc Verfahren von geplanter Präsenzveranstaltung in ein Online-Format verwandelt wurde. Dieser Prozess wirkt heute nach neun Monaten fast täglicher Übung in Online Lehre und Veranstaltungen für einige Lesende zum Teil bereits historisch. Dennoch finden sich viele Aspekte der Gender- und Diversitätsreflexivität in diesem Bericht, die für einige Veranstalter*innen immer noch sehr hilfreich sein können. Das Netzwerk Gender und Diversity in der Lehre ging bereits damals mit dem Anspruch in die Umstellung – der sich leider noch nicht an allen Hochschulen etablieren konnte – eine möglichst inklusive Konferenz zu gestalten, in der sich alle Beteiligten ernstgenommen und als Individuen mit Fachkompetenz gewertschätzt fühlen.

Wir halten Lesende also dazu an, sich immer mal eigene (ob vergangene oder noch zu planende) Veranstaltungen vor das geistige Auge zu rufen und gedanklich die einzelnen Schritte für die eigene Planung mitzugehen – Notizen oder Anmerkungen zu Übertragungsideen in den Kommentaren unten sind also ausdrücklich erwünscht!

Papierdrache

1. Die Vorgeschichte

Das Netzwerk Gender und Diversity in der Lehre hat sich 2016 neu gegründet – vorher hat es bereits als loses Netzwerk existiert. In unserem Netzwerk ist eine große Bandbreite an Expert*innen aus den Bereichen Gender und Diversity in Hochschule und Lehre versammelt. Unsere Zusammenarbeit ist geprägt durch eine sehr kollegiale Atmosphäre und eine große Bereitschaft, Materialien und Expertisen zu teilen. Seit 2016 sind wir mit mehr als 100 Mitgliedern sehr aktiv und werden zweimal jährlich Treffen an unterschiedlichen Orten organisiert. Diese Treffen werden von unseren Mitgliedern mit wechselnden Verantwortlichkeiten an ihren jeweiligen Heimatinstitutionen ausgerichtet. Anfang April 2020 wollten wir das Treffen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (kurz: MLU) durchführen, organisiert vom Projekt gender*bildet.

Aufgrund der Corona-Pandemie war Mitte März klar, dass dieses Treffen mit mehr als 30 angemeldeten Teilnehmer*innen nicht in Präsenz stattfinden kann. Daher gab es zwei Optionen:

  1. wir lassen das Treffen ausfallen oder
  2. wir organisieren kurzfristig eine Online-Konferenz.

Wir haben uns für Letzteres entschieden!

Diesen Prozess wollen wir im Folgenden nachvollziehbar darstellen, denn wir glauben, dass diese ad-hoc-Umsetzung des Treffens auf eine Online-Veranstaltung in Hinblick auf Gender und Diversität sehr gut verlaufen ist. Dies führen wir auf unsere geteilte Expertise bezüglich Gender- und Diversitätssensibilität zurück. Entlang unserer Überlegungen lassen sich sicherlich andere Treffen, Konferenzen und/oder Tagungen ebenfalls organisieren. Dazu möchten wir unsere Erfahrungen, aber auch Verbesserungsvorschläge teilen, in der Hoffnung, dass sie anderen zugutekommen. 

2. Die Ausgangssituation

Zum Zeitpunkt der ersten Absprache hat sich gezeigt, dass überwiegend Personen teilnehmen werden, die bzgl. Video- bzw. Distanz-Treffen noch unerfahrenen sind. Daher war eine Telefonkonferenz als Einstieg in die neue Planung eine gute Wahl. Diese hat eine niedrige technische Zugangsbarriere. Hierdurch werden v.a. Menschen unterstützt, die mit Treffen auf Distanz und der Technik wenig bzw. keine Erfahrung haben, aber mit einem Telefon umgehen können. 

Typischerweise haben Akteur*innen unterschiedliche Vorkenntnisse, Erfahrungen, Ausstattungen und Nutzungsgewohnheiten mit digitalen Plattformen, Tools und mit Online-Formaten generell. 

Vorüberlegungen und Fragen, die wir bei diesem ersten Treffen besprochen haben und sich jedes Organisationsteam stellen kann, waren die Folgenden: 

  • Was wollen wir überhaupt umsetzen? Was ist das Ziel dieser Konferenz? Wissensweitergabe, Vernetzung, Socializing?
  • Welche digitalen Formate eignen sich für diese Ziele besonders?
  • Welche technischen Ressourcen haben wir als Organisation zur Verfügung? (Lizenz für Videokonferenz, verlässliche Serverkapazität, Teilnehmer*innen-Verwaltungsprogramm) 
  • Über welche technischen Ressourcen verfügen die einzelnen Beteiligten (Ausstattung mit Audio- und Videoaufnahme, geeigneter Computer, stabile Internetverbindung/ausreichend Datenvolumen)?
  • Aber auch: Wie ist der jeweilige Ort, von dem aus digital teilgenommen wird, beschaffen (geeigneter Arbeitsraum, Wohnverhältnisse, Nebengeräusche, Anwesenheit von (minderjährigen) Familienangehörigen)?
  • Wie können wir Datenschutz sicherstellen? 
  • Wie können möglichst alle teilnehmen, auch Personen ohne umfangreiche Technik Ausstattung (ohne Mikrofon, ohne Kamera) bzw. schwacher Internetanbindung?
  • Wie können wir Barrierefreiheit gewährleisten 
  • Wie können wir die Veranstaltung mehrsprachig gestalten?Loch im gerissenen Papier

3. Ablauf des Netzwerk-Treffens 

a) Technikunterstützung (Tech-Support)

Um alle Netzwerk-Mitglieder zu ermächtigen, das verwendete Videokonferenz-System und ggf. andere technische Tools zu nutzen, empfiehlt es sich, einen Tech-Support einzurichten, den die Teilnehmenden vor der Veranstaltung kontaktieren können. Dieser Tech-Support kann z. B. vorab mit den Teilnehmenden ihre Technik einmal testen. Dies ist zwingend allen Referierenden zu empfehlen. Teilweise überschätzen sich Referierende auch bzgl. ihrer technischen Kompetenz, daher sollte ein solcher Technik-Check bei Referierenden nicht nur als Support, sondern auch als Instrument der Qualitätssicherung eingesetzt werden. Ein solcher Tech-Support sollte der Erfahrung nach aus mindestens zwei Personen plus je eine weitere unterstützende Person pro parallellaufender Veranstaltung (innerhalb eines Workshop-Panels) bestehen.

Die Angabe einer Telefonnummer zur Kontaktaufnahme sehen wir als sehr empfehlenswert an, weil sie für Personen hilfreich ist, die sich in nicht in die Videokonferenz einwählen können und evtl. auch Tonprobleme haben.

b) Vorbereitung

Eine vermeintlich “großzügige” Zeitplanung scheint uns sehr wichtig – da Pausen die, in Präsenz durch Raumwechsel, Umbau etc. entstehen, online nicht passieren und so Online-Veranstaltungen zu einer belastenden Arbeitsverdichtung führen. Entsprechend empfehlen wir, längere Pausen einzuplanen, um allen Teilnehmenden kurze Verschnauf-, Fernsicht und Gymnastikpausen zu gönnen.
Diese Pausen haben sich für das Organisationsteam ebenfalls als sehr hilfreich erwiesen, da wir Zwischenstände innerhalb der Moderationsgruppe feststellen und so auch Manöverkritik in der Moderationsgruppe ermöglichen konnten (dafür haben wir einen eigenen virtuellen Raum zur Verfügung gestellt). In diesen Zwischenreflexionsräumen war auch Zeit, um über Aufgabenteilung und Bedürfnisse der Teilnehmenden sowie im Organisationsteam zu sprechen.

Wir haben eine Vorstellungsrunde in einem Pad vorab erbeten. Die synchrone Vorstellungsrunde, die zu Beginn des Treffens live gemacht wurde, wurden dann nur mit Namen und Kurzvorstellung durchgeführt – alphabetisch in der Reihenfolge, die auch auf dem Pad vorhanden war, so konnten alle mitlesen und mit dem Text auch Gesichter und Stimmen verbinden. Es hat sich als sehr gut erwiesen, dass wir vorab bei der Anmeldung via Adobe Connect um Eintragung mit Namen und Pronomen gebeten haben. So konnten alle Teilnehmenden adäquat adressiert werden. Damit sich alle im Ablauf des Tages orientierten konnten, haben wir vorab eine Tagesordnung mit einzelnen TOPs und Informationen zur Moderation über eine Mailingliste verschickt. Diese Informationen waren in einem Pad sowie im Veranstaltungsraum während des Treffens ständig einsehbar. Insgesamt wurden im Vorfeld das Vorgehen und jegliche relevanten Informationen immer an alle Teilnehmer*innen transparent und frühzeitig kommunizier.

c) Durchführung des Meetings – im Raum

Als wichtig haben wir erkannt, dass die Bereiche innerhalb der Plattform gut strukturiert und übersichtlich aufgebaut sein müssen sowie sich nicht überlappen dürfen. Für uns hat sich zudem eine schlichte Gestaltung des Raums als gut erwiesen (z. B. in Adobe Connect wenige Pods und dadurch weniger Anstrengung, weil man nicht so viel gleichzeitig im Blick behalten muss, frei nach dem Motto „weniger ist mehr“). Ähnlich verhält es sich bei den organisatorischen Aufgaben im Raum (Moderation, Chat, Redner*innenlisten etc.): Sie sollten kleinteilig gestaltet werden und die Zuteilung von mehreren Personen je Aufgabe stellte sich als zielführend heraus, verlangt allerdings auch einen höheren Koordinationsaufwand.

In dem Online-Raum haben wir die durchgängige Möglichkeit eines Chats eingerichtet. Die Benutzung des Chats empfinden wir für viele Teilnehmenden als sehr niedrigschwellig. Hierfür sollte unserer Erfahrung nach mindestens eine Person beauftragt werden, Wortmeldungen zu registrieren und zu organisieren. Eine Redeliste sollte ähnlich zu Präsenzveranstaltungen auch im Online-Raum vorhanden sein. Durch die zusätzliche Verwendung des Chats ist die Kommunikation insgesamt einfacher zu koordinieren und es kommen mehr Diskussionen zustande. Des Weiteren wurde damit die technisch-diverse Ausstattung der Teilnehmenden berücksichtigt (bspw. falls Menschen kein (gutes) Mikrofon haben), aber auch der Tatsache Rechnung getragen, dass es sein kann, dass Kinder im Hintergrund/im selben Raum anwesend sind, deren Privatsphäre geschützt werden muss; außerdem fiel es manchen leichter, sich schriftlich zu beteiligen statt in einem großen virtuellen Raum vor vielen Menschen zu sprechen.

Für uns bot es sich zudem an, weitere Kommunikationswege einzusetzen. Bspw. wurde für konzentrierte gemeinsame Arbeitsphasen ein gesondertes Pad verwendet. Eines, in dem parallel das Protokoll (von mehreren Personen) geführt wurde, sowie eines, in dem bspw. parallel die Ideen zu einer bestimmten Fragestellung gesammelt wurden, ohne dass diese sofort besprochen wurden. Die anschließende Besprechung fand wieder im Online-Raum statt. 

Zum Schluss des Online-Treffens hat das Orga-Team noch mit wahlweise Sekt, Wasser oder Tee angestoßen und dabei mit ersten noch frischen Ansätze für die Gesamtreflexion begonnen.
Eine erste Kurzreflexion direkt im Anschluss eignet sich, um frisch schon einmal Eindrücke festhalten zu können.

Papiervorhang.

d) Durchführung des Meetings – die Moderation

Wir haben für den ganzen Tag innerhalb des Online-Raumes einen Moderationschat eingerichtet, in dem die jeweiligen Moderator*innen der einzelnen Beiträge Slots unterschiedliche Informationen und Probleme miteinander teilten. Jedoch war dieser Chat relativ unstrukturiert und zum Teil war er sehr schwierig, diesen so zu managen, dass keine Informationen verloren gingen. Daher würden wir empfehlen, Aufgabenspezifische Moderationschats zu haben. Für technisch Versiertere Orga-Teams kann ein separater Audio-Channel nur für die Moderation oder Technik auch sinnvoll sein – dies braucht aber etwas Übung, mit weiteren Stimmen quasi aus dem Off zurecht zu kommen; ist manches Mal aber schneller als Chat. Insbesondere wenn eine Aufzeichnung der Veranstaltung stattfindet, kann eine schnelle Reaktion auf „Unerwünschtes“ in dem Bild oder der Audiospur sinnvoll sein.

Je nach finanzieller Kapazität oder Expertise und den Bedürfnissen der Teilnehmenden kann es zudem sinnvoll sein, einen eigenen Kanal für verschiedene Sprachen/Übersetzende zu haben sowie explizit auf ein gutes Bild für Gebärdensprachdolmetschende sowie Untertitelung achten.

Die Moderation wurde zur gegenseitigen Unterstützung doppelt besetzt, wobei eine Person die inhaltliche Moderation und die andere die technische Moderation übernehmen sollte. Die Veranstaltung wurde folglich im Tandem geleitet und dazu eine Redeliste geführt. Hierbei empfiehlt es sich, klar abzustimmen, wer z. B. die Redeliste im Blick behält und Teilnehmende aufruft. Es kann immer sein, dass eine Person (aus technischen oder anderen Gründen) ausfällt; daher hätte es auch eine Back-Up-Regelung gebraucht – z. B. Moderator*innen springen für einander ein.

e) Rollenverteilung

Wir sehen es als sinnvoll an, sich vorher Gedanken zu machen, wie viele Leute es in unterschiedlichen Rollen braucht. Es zeigte sich klar, dass eine klare Rollenverteilung nötig ist. Implizite Rollen, die spontan übernommen werden, haben sich als hilfreich erwiesen, sollten dennoch zwischendurch kommuniziert und anschließend evaluiert werden. Wir haben uns dazu entschieden, die Verteilung von Verantwortlichkeiten möglichst breit zu streuen, d. h. alle Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen. Wir haben es auch als schwierig wahrgenommen, während des Treffens schnelle Entscheidungen zu treffen, weil wir den Anspruch hatten, das gesamte Orga-Team dabei zu beteiligen. Daher ist es umso wichtiger, in den Besprechungen offen über Aufgabenverteilungen und Belastungsgrenzen zu sprechen.
Wenn angedacht ist, Personen, die länger in Teams zusammenarbeiten, nach und nach in verschiedenen Bereichen einsetzbar zu haben und sich dafür auch bei Veranstaltungen in den diversen Rollen zu üben, dann kann es sinnvoll sein, anfangs diese Rollen ebenfalls doppelt zu besetzten, sodass die lernende Person von der erfahrenen lernen kann. Bei einmaligen Veranstaltungen ist dies nicht zu empfehlen, bei regelmäßigen jedoch sehr: SO werden Verantwortlichkeiten auf mehreren Schultern verteilt, ein Miteinander- und Voneinander-Lernen gefördert und nachhaltig im Team diverse Expertisen gesammelt, sodass sich gegenseitig gut vertreten werden kann.

f) Allgemeines

Aufgrund unserer Expertise im Gender- und Diversity-Bereich sind wir schon mit einer gewissen Kompromissbereitschaft sowie Fehlerfreundlichkeit und -toleranz ausgestattet: Unsere Bereitschaft, Kompromisse zu finden – auch bei der (Plattform)Abwägung, Verfügbarkeit, Zugang, Features, Datenschutz – war einer unserer Schlüssel zum Gelingen. Zu Beginn tendierten wir dazu, die datenschutzproblematische Plattform Zoom zu nutzen, sofern keine andere stabil zur Verfügung stünde. Als dann Adobe Connect angeboten wurde, sind wir auf diese Plattform auf den zuverlässigen Servern der FernUni Hagen gewechselt. Zu dem Zeitpunkt experimentierten einige Hochschulen mit dem Aufbau von BigBlueButton-Servern (BBB). Diese standen teilweise nicht zuverlässig oder nicht für Externe zur Verfügung. Inzwischen sind einige Hochschulen erfahrener mit BBB, sodass dies eine mögliche Alternative darstellt.

Wir haben beobachtet, dass verschiedene Menschen unterschiedlich gerne mehrere Informationskanäle gleichzeitig nutzen. Zu viele gleichzeitige Kanäle wie Video, Chat, Etherpad usw. führten bei einigen Teilnehmenden zu Überforderung und „Ausklinken“ (Überforderung durch parallele Tasks). Wir nahmen auch wahr, dass sich Menschen unterschiedlich wohl in den verschiedenen Formaten fühlen. Dieser großen Vielfalt im Umgang mit der Technik und den individuellen Kapazitäten und Ressourcen entsprechen zu können, ist sehr schwierig. Um dieser Diversität zumindest etwas gerecht zu werden, haben wir zum Beispiel allen Beteiligten sehr viel Material auch online verfügbar gemacht. 

4.Soziale Aspekte 

Das dem Präsenztreffen sonst immer vorangehende gemeinsame Abendessen konnte diesmal nicht stattfinden. Im Netzwerk hat sich bereits über die letzten fünf Treffen ein vertrauensvoller und kollegialer Umgang etabliert. Viele – aber nicht alle – der Teilnehmenden kennen sich und es wird das Arbeits-Du verwendet. Um wenigstens einen Teil der persönlichen Note des Treffens im Digitalen zu erhalten, haben wir eine Kaffee- und Teestuben-TelKo eingerichtet. Hier konnten sich alle, die dazu Lust hatten, in den Pausen treffen, um zu socializen – also sich über Dinge zu unterhalten, über die man sich eben in den Pausen über einem Kaffee unterhält. Am Ende des Treffens haben wir eine Blitzlichtrunde gemacht – so konnten alle nochmal etwas sagen, also Kamera und Mikro an (soweit möglich) und die Veranstalter*innen haben ein kurzes Feedback bekommen. 

5. Dokumentation

Das Protokoll wurde parallel und gemeinsam in einem gesonderten Pad geführt. Dabei wurde für jeden Zeitslot jeweils mind. eine federführende Person vorab bestimmt, so konnten wir den Arbeitsaufwand – ähnlich wie bei der Moderation – auf mehrere Schultern verteilen. Zugleich hat sich der Arbeitsaufwand in der Nachbereitung damit für das Orga-Team etwas verringert

Je nach finanzieller Ausstattung und technischer Infrastruktur können einzelne Beiträge selbstverständlich auch (audiovisuell) aufgezeichnet oder auch eine abschließende Publikation eines Tagungsberichts veröffentlicht werden. 

6. Was war für uns hinderlich?

Es war durchaus problematisch für uns, keinen eigenen Server zu haben, dadurch ist eine Abhängigkeit von anderen Organisationen entstanden. Dass wir als Netzwerk auch nicht über eigene Gelder verfügen, kam erschwerend hinzu.

Auf private Chats innerhalb der Veranstaltung wurde häufig nicht geantwortet (es muss vorher explizit kommuniziert werden, dass alle auch privat angeschrieben werden können, inzwischen ist das bestimmt auch weiträumiger bekannt, aber damals war der Umgang mit den verschiedenen Plattformen noch nicht so „normal“ wie bereits drei Monate später). Zudem fand der Großteil der inhaltlichen und formalen Vorbereitung in einer Phase statt, als noch unklar war, welche Plattform benutzt werden wird. Plattformen haben ihre Eigenheiten und diese sollten in der Vorbereitung und Durchführung natürlich mitbedacht werden. 

Des Weiteren waren im Orga-Team auch einige Personen mit der Doppel- und Dreifachbelastung von Care- und Sorgearbeiten parallel zum Home-Office eingespannt, sodass die corona-bedingten Lock-down-Auswirkungen auch im Orga-Team spürbar waren.

zerknülltes Papier

7. Was hätte besser laufen können?

Wir hätten noch mehr Pausen und vor allem auch längere Pausen einplanen können. Auch für die Organisation der einzelnen Rollen und Arbeitsbereiche empfehlen wir, diese klar zu verteilen und kleinteilig zu beschreiben, was an Aufgaben ansteht und wann diese vorbereitet sowie durchgeführt werden sollten. Wir haben erst zur zweiten Hälfte des Treffens einen eigenen Raum für das Organisationsteam zum ständigen Austausch eingerichtet. Ein solcher Raum sollte ständig zur Verfügung stehen und nicht nur schnell in den Pausen, da es immer etwas zu klären gibt. Bei Ad-hoc-Abstimmungen sollte darauf geachtet werden, dass die Entscheidungsfrage eindeutig formuliert werden – auch wenn Abstimmungstools dafür genutzt werden. Technische Tools sind nicht die Lösung für soziale Fragen, sie können lediglich den Weg dafür bereiten.

Für die Dokumentation ist wie bei der Moderation auch darauf zu achten, dass sie auf noch mehr Schultern verteilt wird. Bspw. indem Personen, die einen Redebeitrag leisten, diesen kurz selbst auf dem Pad zusammenfassen oder zumindest die Notizen ergänzen. Es wäre außerdem hilfreich gewesen, hätten wir vorab gezielter nach Mitschreibenden im Pad gesucht (eine Tabelle mit Zuständigkeiten per Mail hat dafür nicht ausgereicht) und proaktiv erklärt, was ein Pad ist und diese auch kurz zusammen ausprobiert. Ein stehender Kommunikationskanal zwischen allen Teilnehmenden bzw. zwischen Teilnehmenden und Veranstalter*innen vorab einzurichten, hätte uns ermöglicht, alle Expertisen und Unterstützungsmöglichkeiten zu nutzen, die im Netzwerk vorhanden sind. 

Des Weiteren gibt es noch Einflussfaktoren, die wir nicht beeinflussen können, auf die aber gut hingewiesen werden kann: Beispielsweise, dass die Teilnehmenden wissen, dass sie mit mehreren Tabs/Fenstern gleichzeitig arbeiten werden und dem entsprechend Ihre Geräte für sich jeweils passend einstellen können. Im besten Falle haben alle Teilnehmende zwei Bildschirme oder sogar Endgeräte zur Verfügung, mit denen sie parallel arbeiten können – dies stellt aber auch eine Hürde da. Daher kann es für einige Teilnehmen schon gut sein, wenn Ihnen Tipps gegeben werden, wie sie Fenster gut anordnen können usw. Digitale Kompetenzen sind ein klarer Vorteil, aber eben nicht bei allen Teilnehmenden immer vorauszusetzen.
Ebenfalls das Nutzen von Headsets sowie einer Internetverbindung über ein LAN-Kabel statt WLAN ist zu empfehlen, aber nicht als selbstverständlich vorhanden anzunehmen.

8. Hintergründe zum Netzwerk und diesen Beitrag

Wie kam es also zu einer Entscheidung, ohne institutionelle Vorkenntnisse in drei Wochen eine reine Online-Tagung zu stemmen?
In unserem Netzwerk ist eine große Bandbreite an Expert*innen aus den Bereichen Gender und Diversity in Hochschule und Lehre versammelt. Es sind fast alle großen und kleinen Universitäten deutschlandweit sowie andere thematisch verwandte Netzwerke wie das Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW vertreten. Unsere Zusammenarbeit ist geprägt durch eine sehr kollegiale Atmosphäre und eine große Bereitschaft, Materialien und Expertisen zu teilen. Die Nutzung von Online-Tools beschränkte sich bisher auf gemeinsames Arbeiten an geteilten Etherpads. Videokonferenzen u. ä. waren bis März 2020 nicht Gegenstand der täglichen Praxis der meisten Netzwerkmitglieder gewesen und wurden auch noch nie im Netzwerk eingesetzt.

Die ausrichtende Institution unseres Netzwerk-Treffens, also die MLU, war drei Wochen vor dem geplanten Termin des Treffens fertig mit der Vorbereitung einer Präsenzveranstaltung mit den über 30 angemeldeten Teilnehmenden aus der gesamten Republik, inklusive der Reservierung für den gemeinsamen Restaurant Besuch am Abend davor. Die Inhalte des Treffens standen ebenso fest, wie der Ablauf: Der Vormittag sollte, wie sich bereits etabliert hatte, mit Inputvorträgen bestückt werden: Diesmal mit einem Vortrag von René_ Rain Hornstein zu Trans*, inter*, nicht-binär-klusive Hochschulen: Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen und Materialien, einem Vortrag von Mathias Weidner zu Gender und Digitalisierung sowie einer AG von Juliette Wedl zu Gender in MINT und der Abstimmung der Stellungnahme zu „Gute Beschäftigungsbedingungen schaffen! Für eine gender- und diversitätssensible Lehre!„. Der Nachmittag sollte durch die Treffen der netzwerkinternen AGs – Forschung, Methode und „Maßnahmen an Hochschulen bezogen auf gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ – gestaltet werden. Papierboote. Gender und Diversity in der Lehre

Das Team des Projekts gender*bildet an der MLU war durch den Lock-down am 16.03.2020 bereits davon ausgegangen, dass unser Treffen nicht als Präsenzveranstaltung stattfinden wird. Da aber im Projekt gender*bildet derzeit keine Expertise für Online-Veranstaltung vorhanden war, wurde eher zum Verschieben oder einer Absage tendiert. Nach und nach meldeten sich jedoch einzelne Mitglieder des Netzwerks, um ihre Unterstützung anzubieten. So boten Melanie Bittner von der ‚Toolbox Gender und Diversity in der Lehre‚ der FU Berlin an, Möglichkeiten der Digitalisierung mit zu durchdenken, RyLee Hühne von der Fachschule Südwestfalen eine Telefonkonferenz (TelKo) einzurichten und Maria-Luisa Barbarino von der FernUniversität in Hagen ihre spezielle und bereits lange etablierte Expertise in der onlinegestützten Lehre an. Nach und nach meldeten sich weitere Mitglieder und es wurden ein doodle zur Terminfindung für eine TelKo und ein Etherpad für eine erste Ideenfindung eingerichtet. Die ad-hoc-Übersetzung unserer Präsenz- in eine Online-Veranstaltung war also von Beginn an ein kollektiver Akt. So hat sich sehr spontan eine Gruppe von acht bis zehn aktiven Mitgliedern gebildet, die innerhalb von drei Wochen gemeinsam ermöglichten, dass das Treffen online stattfinden konnte.

Zu diesem Zeitpunkt kursierten die ersten Meldungen, dass die dfn-Server nicht ausreichend Kapazitäten hatten und in unserem Netzwerk gab es lediglich eine Institution, die eine Infrastruktur bieten konnte, die alle Aspekte mehr oder weniger berücksichtigen konnte. Daraufhin erfolgte nach einigen Abwägungen und Tests verschiedener Plattformen eine Einigung auf die Plattform Adobe Connect auf den hochschuleigenen Servern der FernUniversität in Hagen. Unter anderem auch, weil die Kollegin dieser Universität Maria-Luisa Barbarino anbot, als Co-Organisatorin zu fungieren und hier eine große Vorerfahrung mit Online-Veranstaltungen über Adobe Connect vorhanden war. Das Vorhandensein dieser technischen Infrastruktur sowie dieser Vorerfahrungen hatten somit eine wichtige Basis für das geplante Treffen gelegt.

Letztlich fand das Treffen an einem Freitag von 8:30 Uhr bis 17:00 Uhr statt. Kleine Online-Pausen wurden eingeplant und ein paralleler Technik-Support eingerichtet. So wurden die Inhalte zum einen von der Situation inspiriert verändert und zum anderen als Reaktion und in Hinsicht auf Unterstützungs- und Reflektionsaspekte hin ausgebaut. Es haben ca. 40 Personen teilgenommen, ein großer Online-Raum wurde organisiert und mehrere parallele Pads (mit unterschiedlichem Fokus je Arbeitsphase) geführt. Das Programm wurde etwas reduziert, und die weiter oben genannten Vorträge zu Trans*, inter*, nicht-binär-klusive Hochschulen: Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen und Materialien “, der Vortrag Gender und Digitalisierung wurde zur AG Digitale Tools ausprobieren und die AG Gender und MINT arbeitete zu E-Learning-Module zu Gender & MINT. Diese Beiträge wurden durch eine AG zu Open Educational Resources zu Gender und Diversity in der Lehre und einem Austausch zu Folgen der ad-hoc-Digitalisierung für gender- und diversitätsbewusste Lehre ergänzt.

9. Zusammenfassende Bemerkungen

Im Großen und Ganzen haben wir das Gefühl, dass das Treffen sehr gut verlief und wir uns inhaltlich sehr gut austauschen konnten. Für viele blieb dennoch ein Wermutstropfen bestehen; denn die angenehme und kollegiale Atmosphäre, die es bei den Netzwerktreffen normalerweise gibt, hat sich beim Online-Treffen nicht oder nur teilweise ausbreiten können. Beziehungen entstehen auf einer Online-Plattform (noch?) nicht so gut wie bei einem realen Treffen, so dass es vor allem für neue Netzwerkmitglieder ein schwierigerer Einstieg ist. Dennoch gehen wir davon aus, dass die „Erinnerung“ an die kollegiale Atmosphäre, die bestehenden Beziehungen und ihr Einwirken auf die Online-Version des Treffens für viele dazu beigetragen hat, einen acht Stunden langen Online-Marathon durchaus nicht nur ertragbar und inhaltlich interessant, sondern auch angenehm und inspirierend zu gestalten. Die Vorteile, die sich ergeben haben, beruhen sicherlich darauf, dass einige Personen, die nicht nach Halle hätten reisen können, dadurch ebenfalls dabei sein konnten (andere wiederum waren evtl. genau dadurch abgehalten worden, teilzunehmen – aufgrund von mangelnder/mangelhafter Technik, anderen Einschränkungen wie Care-Arbeit, eine grundlegende Abneigung gegen Online-Formate etc.). 

 

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