Ganzheitliche Bildung und digitale Innovation

Ganzheitliche Bildung und digitale Innovation

27.01.22

Grafik zur Darstellung der Perspektiven und Komponenten der digitalen Bildung

Innovative Ideen aus der Praxis in aller Kürze: Die Lightning Talks des University:Future Festivals 2021 brachten es auf den Punkt! Vier dieser Talks, die sich mit ganzheitlicher Bildung und digitalen Innovationen beschäftigen, stellen wir hier vor: Beatrix Busse, Franziska C. Eickhoff und Ingo Kleiber sprechen über erprobte Konzepte zur Unterstützung digitaler Bildung. Die Entwicklung adaptive Tutorien für wachsende Lernmotivation stellt Tobias Bahr vor. Christin Barbarino und Theresa Finsterer sprechen über Lösungen für die institutsübergreifende Entwicklung von Blended-Learning-Formaten, Katharina Maitz, Sebastian Dennerlein, Philomena Sluga und Viktoria Pammer-Schindler erklären den University Innovation Report.

Digitale Bildung an der UzK – Von der Theorie in die Praxis und wieder zurück

von Beatrix Busse, Franziska C. Eickhoff, Ingo Kleiber

Wir leben in einer zunehmend komplexen und sich rapide verändernden postdigitalen Welt. Digitale Bildung ist eine zentrale gesellschaftliche Notwendigkeit und Aufgabe, die Hochschulen in die Verantwortung nimmt. Es geht um die Befähigung aller, Digitalität zu erreichen und sich sicher, souverän und unter Einhaltung ethischer Standards in der Welt zu bewegen. Die digitale Transformation und KI stellen Chancen und Herausforderungen für Forschung, Lehre und Innovation dar und werden die Binnendifferenzierung von Wissenschaft massiv beeinflussen (WR 2020).

An der Universität zu Köln haben wir uns gemeinsam mit fast 100 Akteur:innen die Frage gestellt, welche Rahmenbedingungen und Inhalte es braucht, um digitale Bildung zu fördern. Zentral sind dabei zwei Bausteine: Ein gemeinsames Konzept sowie offene, inklusive und ko-kreative Formate der Zusammenarbeit.

Die Grafik zeigt fünf Bereiche digitaler Bildung nach unserem ganzheitlichen Konzept sowie sechs Perspektiven, aus denen wir sie betrachten und bearbeiten.

Unser Bildungs- und Selbstverständnis haben wir in Arenen erprobt. Diese sind agile, inklusive, partizipative und interdisziplinäre Think Tanks, in denen wir ko-kreativ an Fragestellungen, neuen Ideen und Visionen arbeiten. Sie sind als inklusiver Kreativraum das notwendige Gegenstück zu den rigiden und hierarchischen Strukturen der Hochschule (Busse 2022).

Bei der Bearbeitung von praktischen Themen der digitalen Bildung, aktuell z. B. Micro-Credentials, kommen beide Elemente zum Tragen. Dabei bildet das Konzept den inhaltlich-theoretischen Rahmen und die Arena den ko-kreativen Entwicklungs-, Frei- und Resonanzraum. Am wichtigsten ist aber, dass wir die Anwendungspraxis nutzen, um Produkte zu testen und zu optimieren.

Digitale Bildung ist für uns „dynamisch und zukunftsgerichtet [und] verlangt Umdenken, Agilität und ko-kreative Prozesse.“ Mit den zwei Bausteinen versuchen wir diesem Anspruch selbst gerecht zu werden, ohne den Anspruch zu erheben, alle Antworten zu haben.

Referenzen
Busse, B. (2022). Willkommen in der Arena: Formate und Haltung für die strategische Fitness und zur resonanten Ko-Kreation in Universitäten. OrganisationsEntwicklung, 1, 17–25.
WR. (2020). Zum Wandel in den Wissenschaften durch datenintensive Forschung: Positionspapier. Köln. Wissenschaftsrat.

 

Networking in Kleingruppen – Ergänzungstutorium zur Höheren Mathematik im Kontext kleiner heterogener Lerngruppe

von Tobias Bahr

Leistungsprobleme und eine damit einhergehende geringe Lernmotivation von Studierenden in ingenieurwissenschaftlich ausgerichteten Studiengängen ist ein wichtiges Thema (Wyrwal & Zinn 2018). Durch verschiedene Maßnahmen können Lehrende Einfluss auf die Lernmotivation von Studierenden nehmen. Unter anderem durch die Anregung zur Selbsttätigkeit und die Unterstützung der Studierenden durch adaptive Tutorien. Zu Letzterem zählen beispielsweise die Vermittlung von Lernstrategien, die Vorbesprechungen von Studien- und Prüfungsleistungen, konstruktives Feedback und eine allgemeine Unterstützung bei der Prüfungsbewältigung. 

Im Kontext dessen findet das Ergänzungstutorium zur Höheren Mathematik im Studiengang Technikpädagogik der Universität Stuttgart statt. Wir bieten den Lehramtsstudierenden zwei Mal pro Woche für zwei Stunden die Möglichkeit, sich in einem festen Lernraum (online und vor Ort) zu treffen. Dort können sie individuelle Fragen stellen und Aufgaben unter Anleitung rechnen. Mit einer Instant-Messaging-Dienst-Gruppe ist es möglich, niederschwellig kurze Rückfragen zu stellen. Diese wird von einer wissenschaftlichen Hilfskraft betreut. Zudem entstehen im aktuellen Semester kurze Erklärvideos, in denen Studierende einzelne mathematische Aufgaben exemplarisch vorrechnen. Dadurch werden den Studierenden die Struktur der Aufgaben und allgemeine Lösungsstrategien gezeigt. Diese sollen das bisherige Angebot von Cheatsheets im ILIAS-Kurs ergänzen.

In den letzten fünf Jahren konnten damit signifikant besserer Bestehensquoten in der Höheren Mathematik erreicht werden, was mit einem positiven Feedback von den Studierenden verbunden ist. Daher möchten wir andere Studiengänge, die ähnliche Schwierigkeiten bei der Vernetzung von Lerngruppen und hohe Abbruchsquoten haben (z.B. andere Lehramtsstudiengänge), dazu anregen, adaptive Tutorien einzuführen.

Referenzen
Wyrwal, M. & Zinn, B. (2018). Vorbildung, Studienmotivation und Gründe eines Studienabbruchs von Studierenden im Lehramt an berufsbildenden Schulen. Journal of Technical Education (JOTED), 6(2), 9–23.

 

Über Fakultätsgrenzen hinweg: Digitale Lehre an der Viadrina gemeinsam neu entwickeln – Frau Prof. Dr. Blending und das Konzept der Faculty Learning Communities

von Christin Barbarino, Teresa Finsterer

Für die Entwicklung innovativer Blended-Learning-Formate ist regelmäßiger kollegialer Austausch ein entscheidender Faktor. An der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder haben wir mit dem Projekt PROKODIL (Programm Kooperationsgruppen Digitale Lehre) die Möglichkeit, den Lehrenden hierfür den passenden Rahmen zu bieten. 

In einem kurzen simpleshow-Video mit Frau Prof. Dr. Blending als prototypischer Teilnehmerin waren die Pfeiler des Projektes der HFD Community schnell erklärt. PROKODIL basiert auf dem US-amerikanischen Konzept der Faculty Learning Communities. 

Die Teilnehmer:innen des jeweils einjährigen Programms haben die Gelegenheit in 14-tägigen Treffen mit Kolleg:innen aus allen Fakultäten in einen regelmäßigen Austausch zum Thema digitale Lehre zu treten. Sie können in diesen reservierten Zeitfenstern á 90 Minuten bereits bestehende Formate weiterentwickeln oder neue Lehr-/Lernszenarien ausprobieren. Darüber hinaus organisieren die Koordinatorinnen von PROKODIL ein Rahmenprogramm, das die Teilnehmer:innen thematisch mitgestalten und besuchen können (Workshops, Coachings, Retreats). Ein wichtiges Merkmal des Projektes ist die ausdrückliche Einbindung aller universitären Statusgruppen, beispielsweise in Form von studentischen Feedbackgeber:innen. Darüber hinaus veröffentlichen die Teilnehmer:innen die während der Projektlaufzeit gesammelten Erfahrungen wissenschaftsbasiert in Form von frei wählbaren Open Educational Resources (OER). 

Fragen von den Besucher:innen des University Future Festivals zielten berechtigterweise darauf ab, wie der damit verbundene Aufwand für die Lehrenden kompensiert wird und wie sich der Anspruch eines gelebten Scholarship of Teaching and Learning (SoTL) mit den unterschiedlichen Fachkulturen der Teilnehmenden verträgt. Für ihre Teilnahme können die Lehrenden zwischen verschiedenen Entlastungsmitteln wählen (u.a. Deputatsreduktion, SHK, Sachkostenbudget). Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Erwartungshaltungen und „Fachsprachen“ auf der persönlichen Ebene in den Hintergrund treten. Gemeinsame Zeit und – nicht zu unterschätzen – social moments sind eine gute Grundlage für kollaboratives Arbeiten.

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http://www.europa-uni.de/prokodil

 

University Innovation Report 2021 – Eine Brücke zwischen Offline- und Online-Welt als Einladung zur Mitgestaltung der Universität von morgen

von Katharina Maitz, Sebastian Dennerlein, Philomena Sluga, Viktoria Pammer-Schindler

Hochschulen als Orte des Lehrens, Lernens und Forschens sind bestens dazu geeignet, digitale Innovationen hervorzubringen. Viele dieser Innovationen entstehen als Antwort auf sehr konkrete Probleme, häufig im Rahmen von Forschungsprojekten. Dadurch haben sie allerdings oft eine eingeschränkte Reichweite, sind nur in der eigenen Community bekannt und kommen auch nur dort zur Anwendung; oder sie verschwinden nach Projektabschluss direkt in der sprichwörtlichen Schublade. Daher wurde an der TU Graz das Marketplace-Innovationsprogramm zur Förderung, Skalierung und nachhaltigen Etablierung von Innovationen aus Lehre, Verwaltung und Forschung ins Leben gerufen.

Auf dem University:Future Festival 2021 konnten wir interessierten Kolleg:innen in einem Lightning Talk den University Innovation Report (auch analog verfügbar) vorstellen. Dieser beinhaltet alle relevanten Informationen des Innovationprogramms der TU Graz, inklusive der wichtigsten Instrumente um Innovation zu fördern. Wir verstehen unter Innovation an Universitäten: gute Ideen unter Beteiligung vieler Personengruppen finden, systematisch entwickeln und unter Berücksichtigung der strategischen Ziele der Universität sowie der Interessen der betroffenen Personengruppen umsetzen. Dazu haben wir spezielle Instrumente (z.B. University Innovation Canvas) und Veranstaltungsformate (z.B. Marketplace) entwickelt.

Der Report ist eine Brücke zwischen Online- und Offline-Welt, indem er Interessierte außerhalb des digitalen Raums abholt und mittels QR-Tags und Links direkt zu den Instrumenten und Ergebnissen des Innovationsprogramms leitet. Er ist ein gleichzeitig zeitloses und lebendes Werk mit immer aktualisierten Informationen und Interaktionsmöglichkeiten zum Ausprobieren und Mitmachen. Wir laden herzlich alle ein, die an Universitäten und für Universitäten Ideen zur Digitalisierung haben und diese weiterentwickeln und umsetzen wollen, den Report zu lesen, sich inspirieren zu lassen und die Instrumente selbst auszuprobieren.

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Link zum University Innovation Report: https://verlag.tugraz.at/ebook/40/1/desktop

 

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In dieser Reihe zum University:Future Festival 2021 veröffentlichen wir eine Auswahl der Festivalbeiträge als Artikel, die Sie auch gesammelt in einem Dossier finden. Die Autor:innen haben hierfür Ihre Vorträge noch einmal schriftlich festgehalten. Weitere Vorträge und Talks finden Sie auch auf YouTube.

Mit über 250 Veranstaltungen, 500 Speaker:innen und 3.850 Teilnehmer:innen fand das University:Future Festival 2021 vom 02.–04.11.2021 unter dem Titel „Open for Discussion“ statt. Hier finden Sie weitere Infos zum Festival.

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