Gamers to the rescue – Digitale Kommunikation für die Hochschullehre

Gamers to the rescue – Digitale Kommunikation für die Hochschullehre

16.06.20

Übersichtstabelle zu den Tools.

Was können Lehrende von Gamer*innen lernen? Dieser Frage widmet sich Lena van Beek in diesem Beitrag. Sie stellt vier Tools vor und gibt zu allen Praxistipps. Gleichzeitig wird die Anwendbarkeit der Tools für die Hochschullehre und im Speziellen für die Geisteswissenschaften, abgewogen und diskutiert.

Welche Tools können vom Gaming in der Hochschullehre eingesetzt werden?

Gaming und Wissenschaft?

Zugegebenermaßen ist die Schnittmenge von Gamern und Wissenschaftler*innen in meinem Fachbereich – der germanistischen Mediävistik – nicht besonders groß. Dass ich Teil dieser Schnittmenge bin, ist jedoch gerade in diesem Sommersemester 2020 günstig. Denn die Gamerszene verlässt sich schon lange auf digitale Kommunkation, um miteinander zu spielen, sich gegenseitig zuzusehen und sich darüber auszutauschen. Im Gegensatz zu einigen Angeboten der Hochschulen, die gerade mit dem Andrang überfordert sind, haben diese Dienste schon harte Belastungstests überstanden und laufen in der Regel stabil. Zudem sind sie frei zugänglich und mehr oder weniger intuitiv zu bedienen.

Dieser Beitrag stellt daher die bekanntesten Kommunikationslösungen der Gamer[1] vor. Die Anwendbarkeit für die Hochschullehre, speziell für die Geisteswissenschaften, wird erwogen: Vor- und Nachteile der Dienste für bestimmte Lehrformate aus den Geisteswissenschaften werden diskutiert. Dieser Beitrag soll zur Experimentierfreudigkeit in der digitalen Hochschullehre anregen. Ich benutze selbst einige Tools auch deswegen, weil ich sie gut kenne und weil einige Universitäten keine entsprechenden Vorgaben machen und den Lehrenden die Gestaltung frei lässt. Auch wenn auf die Datenschutzproblematik nur am Rande eingegangen werden kann, ist dieser Aspekt dabei natürlich auch zu bedenken.

Vortragen und Diskutieren

Seminare in der Germanistik bzw. meinem Teilfach, der Älteren deutschen Literatur, bestehen aus einem Mix aus gemeinsamer (lauter!) Lektüre, Diskussionen im Plenum oder in kleinen Gruppen und kurzen Vorträgen der Lehrenden und Studierenden. Es ist davon auszugehen, dass Texte, Folien und ähnliches über die jeweiligen Lehrplattformen der Universitäten verfügbar sind (z.B. OLAT, moodle etc.). Doch wie kann man sich über die gelesenen Texte austauschen? Es werden Formate gesucht, in denen man Vorträge wie Kurzreferate per Video oder Audio halten kann, und die das Diskutieren im Plenum oder in kleinen Gruppen ermöglichen. Hier sind vier Tools aus der Gamerszene, die sich bewährt haben, ergänzt durch Praxistipps.  

Praxistipp: Man braucht zunächst idealerweise ein Headset und ein bisschen Vorbereitungszeit für die Audioeinstellungen. Für das erstmalige Set-Up empfiehlt sich die Handreichung von Leitfäden, die Einrichtung einer Helpline in Zusammenarbeit mit Tutor*innen oder dem Rechenzentrum, sollten Kapazitäten dafür vorhanden sein. Im Moment sind Tests für Lehre nur in einer kleinen Gruppe aus Lehrenden möglich. Am Ende des Sommersemester 2020, folgt auch ein Praxisbericht: „Gamers to the rescue – Digitale Kommunikation für die Hochschullehre. Teil II: Praxis“. 

Was sind die richtigen Tools?

Tools

1. Youtube
Bei Youtube kann man einen Livestream machen oder vorher aufgezeichnete Videos hochladen, die je nach Videoschnittfähigkeiten der Lehrenden mehr oder weniger aufwändig sein können. Für Livestreams und/oder Aufzeichnungen empfiehlt es sich, eine Screen Capture Software wie z.B. Open Broadcaster Software zu installieren. Auch private Links sind möglich, so dass der Stream nicht öffentlich sichtbar ist. Dieses Format eignet sich gut für Vorlesungen oder den Vortragsteil eines Seminars.[2] Die Studierenden können das Gesendete kommentieren, anschließend oder währenddessen kann man auf Fragen eingehen. Beim Livestream gibt es eine Verzögerung von 4-6 Sekunden. Livestreams kann man auch nachträglich als Aufzeichnung ansehen. Dieses Format ist für Vorlesungen geeignet.

Praxistipp: Private Links verwenden; aufgezeichnete Videos möglichst unter CC-Lizenz stellen.

2. Twitch
Twitch ist bei Gamern beliebt, um Spielen live zusehen und kommentieren zu können. Ähnlich wie beim Youtube-Livestream ist hier ein one-way Screenshare mit optionaler Kamera möglich. So kann man etwa Folien referieren und den Dozierenden als kleines Video dazuschalten. Twitch kann z.B. im Kinomodus angesehen werden, parallel am rechten Rand läuft dazu ein Textchat. Auch hier gibt es eine Verzögerung von 4-6 Sekunden. Dieses Format ist für Vorlesungen geeignet und es kann auf Fragen eingegangen werden.

Praxistipp: Gamer verwenden Moderator*innen, um mit ihren Fans im Chat zu reden. Bei größeren Mengen von Zusehenden kann es sich lohnen, Moderator*innen einzusetzen, da die vortragende Person nicht immer zeitgleich den Chat mit im Blick hat.

3. Teamspeak
Teamspeak ist ein Internet-Kommunikationsdienst. Man trifft sich mit anderen Teilnehmenden auf einem Server, um dann per Sprachchat zu reden. „Diese Anlaufstelle ist ein Teamspeak 3 Server, der entweder kostenfrei auf einem eigenen Server eingerichtet oder gegen sehr geringe Gebühren (ab ca. 1 Euro pro Monat) bei uns oder anderen Anbietern gemietet werden kann.“[3] Durch die Einrichtung eines eigenen Servers erhöht sich der Schutz der Privatsphäre, andererseits muss man dies technisch erst einmal leisten können.

Im Gegensatz zu anderen Voice-over-IP-Diensten wie z.B. Skype ist dieser Server permanent verfügbar. Entweder kann man „voice activation“ verwenden und automatisch senden wenn man spricht, oder (empfohlen!) „push to talk verwenden“ – man drückt eine festgelegte Taste, um zu sprechen, ähnlich wie bei einem Funkgerät. Moderation und Rollenzuweisungen sind möglich, man kann Teilnehmende auch muten etc. und Rechte vergeben. Für Gruppenarbeiten empfiehlt sich es, mehrere Channel zu erstellen, also in einzelne Audio-Chats zu unterteilen. Als Lehrender oder Tutor*in kann man dann beratend hin- und herspringen. Man kann während des Gesprächs chatten und z.B. Links teilen oder Fragen stellen.[4]

Praxistipp: Beim Betreten eines vollen Raumes Mikro muten (auf stumm schalten).

4. Discord
Discord ist die etwas schickere und neuere Auflage von Teamspeak. Man erstellt zuerst einen festen Raum. Es ist möglich, User*innen per Link zu diesem Channel einzuladen. Dort kann man in Voice- und in Text-Chat reden. Lehrende können per Screensharing mit optionalem Video Folien zeigen und Vorträge halten. Man kann auch gemeinsam arbeiten und diskutieren, z.B. an einem Etherpad.[5] Über den Chat kann man sehr einfach per drag&drop Dateien teilen, die auch immer über den Kanal zugänglich sind. Wie bei Teamspeak sind Moderation und Rollenzuweisungen möglich: Auch hier kann man mehrere Channel erstellen und wechseln. Für asynchrones und synchrones Lernen für Seminare mit vielen Teilnehmenden ist Discord geeignet.

Im Gegensatz zu Teamspeak geht Discord mit Daten freizügiger um und finanziert sich über Werbung und Premiumaccount.[6] Aber: Discord besticht durch sein einfaches Setup. Bis jetzt ist dieser Dienst mein Favorit für Einführungsseminare in der Älteren Deutschen Literatur, weil man dort, evtl. in Kombination mit einem gemeinsamen Etherpad, besonders gut zusammen an Übersetzungen aus dem Mittelhochdeutschen arbeiten kann.

Praxistipp: Achtung, das Programm läuft im Taskbar weiter, auch wenn man das Fenster schließt – bevor das Programm nicht vollständig beendet ist, Mikro muten.

Fazit & Ausblick

Hier noch einmal eine Übersicht der Tools als Fazit:

Übersichtstabelle zu den Tools.

Es ist im Moment leicht, sich überwältigt zu fühlen von den vielen tollen Angeboten für digitale Lehre. Man kann die Anwendungen benutzen, mit denen man sich vertraut fühlt und die funktionieren. Von allen Beteiligten ist für die steile Lernkurve Flexibilität und Geduld gefordert. Es ist in Ordnung, wenn man merkt, dass etwas nicht so kappt, wie man es sich vorgestellt hat. Im Zweifelfalle: Speichern und neu laden.

Und zum Ende direkt eine Ankündigung: Weiter geht es mit „Digitale Kommunikation für die Hochschullehre, Teil II: Praxis“, in dem ich die Praxiserfahrungen von Studierenden und Lehrenden mit den Diensten wiedergebe.

Fußnoten

[1] Gamer als aus dem Englischen übernommenes Wort inkludiert alle Geschlechter.

[2] Z.B. so: Lena van Beek: Schwache Verben im Mittelhochdeutschen

[3] Quelle des Zitats. 

[4] Allerdings verschwinden diese Textnachrichten nach der Beendung des Gesprächs; zumindest auf unserem Server. Man kann das anders einstellen, dies heißt aber auch, man muss evtl. konfigurieren können.

[5] Etherpad ist OpenSource Texteditor zur kollaborativen Bearbeitung von Texten (collaborative real-time editor). Z.B. https://ep.mafiasi.de/ Gemeinsames Arbeiten an Texten ist möglich, ohne ein Google- oder Microsoft-Konto haben zu müssen.

[6] Mehr Infos bei Heise.

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Ein Kommentar

  1. Bella sagt:

    Diese Crossover-Ideen zwischen Gaming und Bildung? Sehr cool. Ich hab selbst die Erfahrung gemacht, dass Gamer echt kreativ und lösungsorientiert sind. Eine Freundin von mir, die leidenschaftlich zockt, hat mir super geholfen, als ich mit meinen Hausarbeiten und technischen Sachen am struggeln war. Und ihr Tipp, gebrauchte Hardware zu kaufen, als ich meinte, ich könnte mir keinen neuen Laptop leisten, war ein echter Game-Changer für mich. Also, warum nicht öfter mal über den eigenen Tellerrand hinausschauen und sehen, was wir von anderen lernen können? Es könnte uns in Bereichen voranbringen, an die wir gar nicht gedacht hätten!