Finanzierung Digitaler Lehre

Finanzierung Digitaler Lehre

01.06.16

Mit analogem Geld digitale Lehre finanzieren

Digitale Lehre kann nur dann einen Mehrwert für die Studierenden bieten, wenn sie ausreichend und nachhaltig finanziert ist. Die Themengruppe Governance & Policies des Hochschulforums Digitalisierung hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt und stellt einige Erkentnisse im Arbeitspapier 19 -„Finanzierung digitaler Lehre“– zur Diskussion. Der Text des Arbeitspapiers wird nachfolgend wiedergegeben.

Vorbemerkung

Wesentlich für das Gelingen von Digitalisierung in der Hochschullehre ist die Beantwortung der Frage, wie digitale Lehr- und Lernformate nachhaltig finanziert werden können. Dabei sind zwei Arten von Kosten zu unterscheiden: Die oftmals teure initiale Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur sowie die laufenden Kosten für kontinuierliche Betreuung, Support und Wartung. Sowohl auf zentraler als auch auf dezentraler Ebene gilt es, beide Kostenfaktoren zu berücksichtigen. Es müssen stets die Mehrwerte gegenüber der klassischen Präsenzlehre sein, die eine nachhaltige Finanzierung der digitalen Lehre rechtfertigen.

Finanzierung der zentralen Ebene

Mit analogem Geld digitale Lehre finanzierenNotwendig für die Entwicklung digitaler Lehr- und Lernangebote ist das Vorhandensein einer digitalen Infrastruktur an der Hochschule. Dazu gehören Hochschulnetzwerke mit ausreichenden Serverkapazitäten, möglichst flächendeckender WLAN-Zugriff auf dem Campus, eine ausreichende Zahl von Administratoren mit Zuständigkeit für die Server-Software, deren Sicherheit und Wartung sowie den zentralen technischen Support. Weiterhin wird eine zentrale und/oder dezentrale Infrastruktur, die die Produktion digitaler Lehrmaterialien ermöglicht (Video- und Tonstudios, Web-Administratoren, …) benötigt.

Die Einführungskosten für solche Infrastrukturen sind hoch. Demnach übersteigt die Schaffung neuer Infrastruktur oftmals die Kapazitäten, die Hochschulen aus ihrer reinen Grundfinanzierung erbringen können. Deshalb überrascht es nicht, dass Digitalisierung an Hochschulen häufig aus Projektmitteln finanziert wird. Eine Projektfinanzierung ohne Aussicht auf Verstetigung stellt jedoch angesichts der laufenden Kosten für Personal und Wartung keine nachhaltige Lösung dar. Weil auch in der digitalen Lehre Personal der größte Kostenfaktor ist, übersteigen die Kosten für inhaltliche Betreuung, technischen Support und Wartung von Infrastruktur mittelfristig die Kosten für ihre initiale Bereitstellung.

Zudem sind, gerade in der sehr vielfältigen deutschen Hochschullandschaft mit Universitäten und Fachhochschulen ganz unterschiedlicher Größe und Ausrichtung, in öffentlicher wie privater Trägerschaft, die gegebenen infrastrukturellen Voraussetzungen höchst unterschiedlich. Deshalb kann es ratsam sein, Infrastrukturen durch hochschulübergreifende Konsortiallösungen zu finanzieren und zu etablieren und so die Kosten auf mehrere Schultern gleichmäßig zu verteilen. Initiativen, die diese Entwicklung aufzeigen, sind etwa die NRW-weite Sync & Share-Lösung Sciebo[1] oder die Hamburg Open Online University[2]. Der Bildungsföderalismus in Deutschland erschwert länderübergreifende, nutzungsgerechte Lösungen in diesem Bereich allerdings. Hier sind Bund und Länder gefragt, Hürden, die sich aus dem Bildungsföderalismus ergeben, zu beseitigen.[3]

Dezentrale Ebene

Für eine erfolgreiche Digitalisierung der Hochschullehre ist die zentrale Infrastruktur eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung. Wie in der klassischen Präsenzlehre gilt auch digital: Ohne fachwissenschaftlich fundierte Inhalte und adressatengerechte Didaktik funktioniert auch das beste Lernformat nicht. Inhalte können aber nur durch Fachwissenschaftler erstellt werden. Deshalb setzt gute digitale Lehre neben der Schaffung der notwendigen Infrastruktur auch eine personelle und finanzielle Stärkung der Fachkompetenz voraus.

Bei der Erstellung digitaler Lehrformate sind Fach- und Mediendidaktiker gleichermaßen gefordert. Für die Betreuung und den Support digitaler Lehrformate bedarf es sowohl fachnaher als auch technischer Kompetenz. Damit dezentral erstellte Inhalte erfolgreich in digitale Lehr- und Lernformate überführt werden können, können zentrale Digitalisierungseinheiten an den Hochschulen mit entsprechend geschultem Personal[4] den Lehrenden Hilfe bei der Entwicklung von Lehrformaten leisten. Der Zeit- und Personalaufwand für die Erstellung guter digitaler Lehre ist gegenüber der reinen Präsenzlehre damit deutlich erhöht.

Für die Betreuung digitaler Lehr- und Lernangebote ist ein ähnlicher Personalschlüssel wie in der Präsenzlehre notwendig.[5] Eine weitgehende Skalierung, also Öffnung für einen breiteren Personenkreis ohne eine damit einhergehende Erhöhung des Lehrpersonals, ist in der digitalen Lehre also nicht möglich. Digitale Lehre durch eine Umwidmung von Lehrpersonal- in Technologiemittel zu finanzieren, kann daher keine nachhaltige Lösung darstellen.

Mehrwerte

Trotz ihrer unbestreitbar hohen Kosten bietet die digitale Lehre Mehrwerte, die ihre Finanzierung rechtfertigen. Dies manifestiert sich zunächst in den Möglichkeiten und Zwängen, die Qualität der Lehre zu verbessern. Digitale Lehrformate stellen im Vergleich zur Präsenzlehre eine breitere Öffentlichkeit her, setzen die Anbieter digitaler Lehrformate dem Qualitätsdruck einer breiteren Nutzergruppe aus und geben damit der Lehre insgesamt eine größere Bedeutung innerhalb der Hochschulen. Des Weiteren ermöglichen digitale Lehrformate das Erreichen neuer Zielgruppen, für die ein klassisches Präsenzstudium nicht infrage kommt. Zu diesen Gruppen mit einem höheren Bedarf an Flexibilisierung zählen etwa Berufstätige oder Studierende mit Kindern mit einem höheren Bedürfnis nach zeitlicher und örtlicher Flexibilität, dem mit digitalen Lehrformaten entsprochen werden kann. Die Möglichkeiten für Hochschulen, durch die Weiterbildung Berufstätiger Erträge erzielen zu können, sind jedoch äußerst begrenzt. Dafür sorgt neben den hohen Kosten digitaler Lehre auch der starke Konkurrenzdruck privater Anbieter. Zudem benötigen gerade nicht-traditionelle Studierende eine zielgruppenspezifische Betreuung.[6]

Ein weiterer Mehrwert digitaler Lehrangebote würde sich dann erschließen, wenn die Länder die Einführung eines „digitalen Gasthörerstatus“ vorantreiben würden: Die digitale studentische ID der Hochschulen könnte hochschulübergreifend nutzbar gemacht werden. Studenten einer Hochschule hätten somit im Idealfall Zugriff auf sämtliche digitalen Lehr- und Lernangebote ihres Bundeslandes. Im Gegensatz zu komplett offenen und nicht-zugriffsbeschränkten Angeboten würde dieses Modell auch urheber- und kapazitätsrechtlichen Problemen Rechnung tragen.[7]

Thesen

  1. Digitale Lehre kostet Geld: Ohne zusätzlichen Kosten- und Personalaufwand lässt sich digitale Lehre nicht konzipieren und produzieren.
  2. Nachhaltige Finanzplanung ist essenziell: Vor der Einführung neuer digitaler Lehr- und Lernangebote muss auch die Finanzierung der laufenden Kosten berücksichtigt werden. Die unabdingbaren Kosten für die didaktische Begleitung und Beratung, den technischen Support und die Wartung der Infrastruktur übersteigen mittelfristig die Kosten für die initiale Bereitstellung von Infrastruktur und Lernangebot. Die Vorarbeiten und bereits vorhandenen Strukturen im deutschen Hochschulwesen sind zudem sehr unterschiedlich. Daran hat auch die überwiegende Projektfinanzierung der vergangenen Jahre nichts geändert.
  3. Infrastruktur allein reicht nicht: Lehrangebote können nur fachspezifisch erstellt werden. Deshalb ist die finanzielle Förderung fachspezifischer Kompetenz hochschulintern genauso wichtig wie die Finanzierung zentraler Infrastrukturen. Ein nachhaltiges digitales Lehr- und Lernangebot braucht zudem dauerhafte Stellen für Lehrpersonal. Vorschläge, Lehrpersonal- in Technologiemittel umzuwidmen, sind daher nicht zweckmäßig.
  4. Konsortialverbünde können – auch länderübergreifend – Lösungsansätze für administrative, technische und infrastrukturelle Fragen bieten. Hier sind die Länder und der Bund aufgefordert, Hindernisse aufgrund des föderalen Systems zu beseitigen.
  5. Von einer Hochschule entwickelte digitale Angebote können auch für Studierende anderer Hochschulen von Interesse sein. Deshalb ist die Einführung eines externen Teilnehmerstatus, der urheber- und kapazitätsrechtlichen Problemen Rechnung trägt, wünschenswert.
  6. Die Möglichkeiten öffentlicher Hochschulen, beim Erreichen neuer Zielgruppen durch digitale Bildungsangebote finanzielle Erträge zu erzielen, sind begrenzt. Im Gegensatz zu privaten Hochschulen, die die Kosten digitaler Lehre über Studiengebühren refinanzieren können, bleibt in staatlichen Hochschulen eine Finanzierungslücke bestehen, die anderweitig gedeckt werden muss. Die Politik, die die Öffnung der Hochschulen für neue Zielgruppen legitimerweise fordert, muss die entsprechende langfristige und auskömmliche Finanzierung der dafür erforderlichen Basisstruktur sichern.

[1] http://www.sciebo.de. Das Projekt wurde vom nordrhein-westfälischen Bildungsministerium mit 3,1 Mio. Euro gefördert, die verbleibenden Kosten wurden auf die Teilnehmerhochschulen umgelegt, vgl. http://www.hrz.uni-bonn.de/service/sciebo.

[2] http://www.hoou.de.

[3] Ein Beispiel aus der Praxis ist das Portal http://www.e-teaching.org, welches bundesweit genutzt, aber nur von wenigen Ländern finanziert wird.

[4] Neben Supportleistungen bieten diese im Idealfall auch Webentwicklung und Programmierleistungen, etwa, um existierende Open-Source-Lösungen an eigene curriculare Bedürfnisse anzupassen.

[5] Das irische National Forum for the Enhancement of Teaching and Learning in Higher Education nennt einen Optimalwert von 20-25 Studenten pro Betreuer in Online-Lernumgebungen, vgl. Teaching and Learning in Irish Higher Education: A Roadmap for Enhancement in a Digital World 2015-2017, http://www.teachingandlearning.ie/wp-content/uploads/2015/03/Digital-Roadmap-web.pdf, 7.

[6] Vgl. HRK, Potenziale und Probleme von MOOCs. Eine Einordnung im Kontext digitaler Lehre (= Beiträge zur Hochschulpolitik 2/2014), Bonn 2014, 43f.

[7] Vgl. Hochschulforum Digitalisierung, Rechtsfragen zu digitalen Lehrformaten, https://hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/HFD%20AP%20Nr%207_Rechtsfragen%20zu%20digitalen%20Lehrformaten.pdf, 9-13.

Bild: Grant „Pennies for Your Thoughts„, CC-BY-NC-ND 2.0 via flickr.com

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