Digitalisierung der Hochschulen voranbringen – Drei Empfehlungen für Politik und Hochschulen

Digitalisierung der Hochschulen voranbringen – Drei Empfehlungen für Politik und Hochschulen

27.02.19

zwei Kollegen bei einem Meeting auf der Couch, lächelnd

Am heutigen 27. Februar hat die Expertenkommission für Forschung und Innovation (EFI) ihren Jahresbericht an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben, u.a. mit dem Schwerpunktthema Digitalisierung der Hochschulen. Aus diesem Anlass werden einige Expert*innen sich in unserem Blog zu den Ergebnissen äußern und diese kritisch einordnen. Den Anfang macht heute Prof. Uwe Cantner, selbst Mitglied der EFI und Vizepräsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Übergabe des EFI-Jahresgutachtens 2019 an Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat am 27. Februar ihr Jahresgutachten 2019 an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben. Eines der Schwerpunktthemen des aktuellen Gutachtens ist die Digitalisierung der Hochschulen.¹ In ihrer Doppelrolle als Bildungs- und Forschungseinrichtung sind Hochschulen für den Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland von zentraler Bedeutung; sie sind dafür verantwortlich, akademische Fachkräfte für eine zunehmend digitalisierte Welt auszubilden und das Potenzial der Digitalisierung für international anschlussfähige Forschungs- und Innovationsaktivitäten zu nutzen.

Laut einer von der Expertenkommission in Auftrag gegebenen Befragung messen die deutschen Hochschulen ihrer Digitalisierung einen sehr hohen Stellenwert bei. Allerdings spiegelt sich dieser hohe Stellenwert im bisherigen Digitalisierungsstand der Hochschulen nicht wider. Somit bestehen deutliche Entwicklungspotenziale für die weitere Digitalisierung der deutschen Hochschulen.²

Grafik: Anteil der Hochschulen, die den Stellenwert der Digitalisierung und den Stand der Digitalisierung als hoch bzw. sehr hoch einschätzen, nach Bereich und HochschultypDie von der Expertenkommission in Auftrag gegebene Befragung hat zudem ergeben, dass der Stand der Digitalisierung in den drei Kernbereichen der Hochschulen – Forschung, Lehre und Verwaltung – stark variiert. Vergleichsweise gut aufgestellt ist die Forschung, gefolgt von der Lehre. Demgegenüber fällt der Digitalisierungsstand in der Verwaltung deutlich ab. Dies gilt insbesondere für nicht-studiumsbezogene Verwaltungsprozesse.

 

Herausforderungen für die Digitalisierung der Hochschulen

Die Digitalisierung von Forschung, Lehre und Verwaltung stellt für die Hochschulen eine große Herausforderung dar. Im Vergleich zu Wirtschaftsorganisationen gibt es bei den Hochschulen spezifische Aspekte, die den Digitalisierungsprozess verzögern. So hat die Imboden-Kommission festgestellt, dass die Governance vieler deutscher Universitäten durch mangelnde Effizienzorientierung gekennzeichnet ist.³ Darüber hinaus leiden die Hochschulen seit Jahren unter einer strukturellen Unterfinanzierung, die Investitionen in Digitalisierungsprozesse erschwert. Zu diesen internen Problemen der Hochschulen kommen zahlreiche Anforderungen hinzu, z.B. steigende Studierendenzahlen, zunehmende Drittmittelabhängigkeit sowie wettbewerbliche Verfahren wie die Exzellenzinitiative. Diese Anforderungen haben zu einer steigenden Komplexität der Hochschul-Governance geführt. Damit die Digitalisierung trotzdem gelingen kann, müssen die Hochschulen ihre Verwaltung weiter modernisieren und das weit verbreitete Abteilungsdenken („Silodenken“) überwinden.

 

Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie

Eine wichtige Möglichkeit, auf die Herausforderungen der Digitalisierung und die steigende Komplexität der Hochschul-Governance zu reagieren, ist die Ausarbeitung einer Digitalisierungsstrategie, die sich am Profil der Hochschule, an ihren Zielgruppen und an ihren Entwicklungszielen orientiert. Die Ergebnisse der von der Expertenkommission in Auftrag gegebenen Befragung zeigen, dass bisher erst 14 Prozent der teilnehmenden Hochschulen über eine Digitalisierungsstrategie verfügen. Weitere 41 Prozent der teilnehmenden Hochschulen geben an, eine Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten, während 31 Prozent eine solche planen. Zu den häufigsten Zielen, die mit einer Digitalisierungsstrategie verfolgt werden, zählen die Verbesserung der Qualität und der Effizienz in der Hochschulverwaltung sowie die Steigerung der Qualität der Lehre. Die EFI sieht es als ein gutes Zeichen, dass sich die befragten Hochschulen mehrheitlich mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen und entsprechende Strategien erarbeiten bzw. planen.

Empfehlung für die Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie: Um den Digitalisierungsprozess zu beschleunigen und erfolgreich zu gestalten, empfiehlt die EFI den deutschen Hochschulen, eine Digitalisierungsstrategie mit klar definierten Zielen sowie einen darauf abgestimmten Implementierungsplan auszuarbeiten. Die Strategie sollten klare Verantwortlichkeiten für Digitalisierungsprozesse definieren und mit der von der EFI wiederholt geforderten Profilbildung von Hochschulen Hand in Hand gehen.

 

Sicherstellung einer nachhaltigen Finanzierung

Bund und Länder haben auf den digitalisierungsbedingten Finanzierungsbedarf der Hochschulen mit zahlreichen Förderprogrammen und Initiativen reagiert. Trotzdem wird die Ressourcenfrage von den Hochschulen als eine der zentralen Herausforderungen genannt. Zwar finanzieren einige – eher große – Hochschulen infrastrukturelle Voraussetzungen für die Digitalisierung durch Grundmittel, die sie durch Umschichtungen im eigenen Haushalt bereitstellen. Die meisten Hochschulen bestreiten die Kosten für ihre digitalen Infrastrukturen jedoch weitgehend über Drittmittel von Bund und Ländern. Da sich die Digitalisierung für die Hochschulen als Daueraufgabe darstellt, reichen die Projektmittel aus ihrer Sicht nicht aus, um Digitalisierungsvorhaben nachhaltig und koordiniert auf breiter Ebene zu implementieren.

Die Projektfinanzierung führt nach Ansicht der befragten Hochschulvertreterinnen und -vertreter oftmals zu Parallelstrukturen und Insellösungen, da IT-Soft- und -Hardware im Rahmen geförderter Projekte immer wieder neu installiert wird, ohne dass es dabei zu einer Integration in die bestehende IT-Landschaft kommt. Die Folge ist eine wachsende Unübersichtlichkeit und Fragmentierung von IT-Lösungen, die Synergien verhindert und sich negativ auf die Nutzbarkeit der IT-Systeme auswirkt. Darüber hinaus erschwert die Projektfinanzierung durch ihren temporären und schwer planbaren Charakter die Ausrichtung von Digitalisierungsvorhaben an mittel- und langfristigen strategischen Zielsetzungen.

Empfehlung für die Sicherstellung einer nachhaltigen Finanzierung: Die Digitalisierung des strukturell unterfinanzierten deutschen Hochschulsystems ist eine Daueraufgabe, die einer nachhaltigen Finanzierung bedarf. Die Expertenkommission empfiehlt, die Hochschulen durch die Einführung einer Digitalisierungspauschale zu unterstützen. Sie sollten pro Studentin bzw. Student einen bestimmten Betrag zum Ausbau und Unterhalt ihrer digitalen Infrastruktur und Anwendungen sowie zum Ausbau ihrer digitalen Lehr- und Lernangebote erhalten. Die Förderung der Digitalisierung an Hochschulen über wettbewerblich vergebene Projektmittel sollte allerdings bestehen bleiben, um innovativen Hochschulen und motivierten Einzelpersonen Anreize zu bieten.

zwei Kollegen bei einem Meeting auf der Couch, lächelnd

Attraktivität für IT-Fachkräfte erhöhen

Nach Aussage der im Auftrag der EFI befragten Hochschulvertretungen ist ein zentrales Hindernis für die Digitalisierung der Hochschulen der Fachkräftemangel im IT-Bereich, und zwar unabhängig von Hochschultyp und Hochschulgröße.

Zentrale Herausforderung für die Gewinnung von IT-Fachkräften ist nach Aussagen der Hochschulen die tarifliche Eingruppierung der IT-Fachkräfte. Diese Einschätzung wird durch eine Studie des IT-Planungsrates gestützt.⁴ Demnach ist die am häufigsten genannte Begründung von Kandidatinnen und Kandidaten, die ihre Bewerbung auf IT-Stellen des öffentlichen Dienstes zurückgezogen haben, die zu geringe Entlohnung. Hochschulen an wirtschafts- und wachstumsstarken Standorten leiden besonders unter dem Fachkräftemangel, weil sie in Konkurrenz zu besser zahlenden Unternehmen stehen. Zudem setzt die bestehende Entgeltordnung der Länder (TV-L) den Möglichkeiten der tariflichen Eingruppierung von IT-Fachkräften deutlich engere Grenzen als der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen (TVöD).  

Des Weiteren sind Hochschulen wegen der überwiegend befristeten Beschäftigungsverhältnisse für IT-Fachkräfte weniger attraktiv. Die Befristung vieler Stellen im IT-Bereich ist eine Folge der Projektfinanzierung von Digitalisierungsvorhaben an Hochschulen. Von den rechtlich bestehenden Möglichkeiten zur Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen wird in der Regel nur unzureichend Gebrauch gemacht wird.

Empfehlung zur Gewinnung von IT-Fachkräften: Die Politik sollte die Hochschulen bei der Gewinnung von IT-Fachkräften unterstützen. Die Expertenkommission empfiehlt daher den Bundesländern – in ihrer Funktion als Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes –, die bestehende Entgeltordnung zu flexibilisieren und sich an der Entgeltordnung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) zu orientieren.

 

Referenzen

¹ Der vorliegende Beitrag ist eine stark gekürzte Fassung des Kapitels B 4 Digitalisierung der Hochschulen aus dem EFI-Jahresgutachten 2019. Vgl. EFI – Expertenkommission Forschung und Innovation (2019: 92ff.): Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2019. Berlin: EFI.

² Für die Ergebnisse der Befragung siehe Gilch et al. (2019): Digitalisierung der Hochschulen. Ergebnisse einer Schwerpunktstudie für die Expertenkommission Forschung und Innovation. Studien zum deutschen Innovationssystem Nr.14-2019. Berlin: EFI.

³ Vgl. Internationale Expertenkommission Exzellenzinitiative (2016): Internationale Expertenkommission zur Evaluation der Exzellenzinitiative. Endbericht. Berlin: IEKE.

⁴ Vgl. IT-Planungsrat (2016): Leitfaden: IT-Personal für die öffentliche Verwaltung gewinnen, binden und entwickeln. Beschluss des IT- Planungsrats vom 16. Juni 2016, Arbeitsgruppe „E-Government-Kompetenz“. Berlin: IT-Planungsrat.

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