Vom 16. bis 24. April 2016 fand die Delegationsreise „Digitale Bildung“ des HFD statt. Dr. Barbara Getto nahm daran teil. In diesem Blogbeitrag reflektiert sie über Hochschulstrategien in den besuchten Ländern sowie die Unterschiede zu Deutschland.
Die Delegationsreise hat uns in den letzten Tagen zu verschiedenen Ministerien und Bildungseinrichtungen in Malaysia, Singapur und Hong Kong geführt. Während Malaysia und Singapur eine staatliche Strategie für die Entwicklung des Hochschulbereichs haben, in der Digitale Medien eine wichtige Rolle spielen, ist das Vorgehen in Hong Kong deutlich weniger gelenkt.
Malaysia hat einen Plan für die Entwicklung der Hochschulen für die nächsten zehn Jahre definiert: den Malaysia Education Blueprint 2015-2025 (Higher Education). Philipp Höllermann hat in seinem Blogbeitrag schon darüber geschrieben wie dieser mit einem starken Fokus und Orientierung auf die Produktion und Implementierung von MOOCs in die Curricula der malaysischen Hochschulen vollzogen wird.
Im Fokus der malayischen Regierungsstrategie stehen insbesondere die Qualität im Hochschulsystem nachhaltig zu befördern und die Globalisierung des Lernens voranzutreiben. Dafür wurden 10 Schritte definiert, die sich in Ziele und Ergebnisse (Outcomes) sowie Instrumente (Enablers) unterteilen. Die Ziele umfassen u.a. Schlüsselthemen wie die Qualität der Lehre, Fragen der Effizienz oder Lebenslanges Lernen. Wohingegen Online-Learning ein Instrument ist, mit dem die Ziele erreicht werden sollen.
Die Strategie dient als Leitlinie für die Universitäten, die ihre Programme entsprechend anpassen (müssen). Dafür erhalten Sie Mittel zur Förderung des Online-Learning.
Das sehen die Strukturen in Malaysia und auch in Singapur vor. Was bedeutet es für die Hochschulen, diese klare Strategie, diese Vorgaben zu erfüllen? Und was machen sie daraus? Wie gehen sie damit um?
Die Universiti Teknologi Malaysia (UTM) ist die älteste staatliche technische Hochschule in Malaysia. Anfang des letzten Jahrhunderts als “Technical School” gegründet, hat sie in den letzten Jahren in beeindruckend kurzer Zeit einen signifikanten Wechsel zu einer forschungsstarken “Research University” vollzogen.
Ihr Vorgehen ist entsprechend systematisch: Die UTM betont das Alignment ihrer eigenen E-Learning-Strategie an die Strategie die Regierung, sowie an die Anforderungen des Arbeitsmarkts. Die Digitalisierung im Kernprozess Studium und Lehre findet damit nicht zum Selbstzweck statt, sondern um die strategische Ausrichtung der Einrichtung voranzutreiben. Um die Maßnahmen voranzutrieben, wurde im „Centre for Teaching and Learning“ (CTL) der UTM eine Einheit eingerichtet, deren Aufgabe die Umsetzung der Ziele der Hochschule mittels innovativer Lehr-Lernszenarien umzusetzen: die New Academia Learning Innovation (NALI).
Ihre Mission formulieren sie folgendermaßen:
To align UTM teaching and learning models, activities, materials, environments and systems with Malaysian National Higher Education Strategic Plan, needs of employers and requirements of accreditation bodies. To emulate best teaching and learning practices from the World’s best universities. To develop UTM own identity related to teaching and learning models, activities, materials, environments and systems. To create meaningful and interactive learning activities, materials, environments and systems appropriate to UTM Graduate Student Attributes.
Quelle: New Academic Learning Innovation
An der Nanyang Technological University, Singapur informiert uns ein sehr engagierter Vicepresident for Educational Strategies, Prof. Lee Sin Kong, über die Strategie seiner Universität: Das Ziel seiner Hochschule ist, Studierende optimal auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Im Zentrum stehen Kompetenzen, die ihre Absolventen erlernen sollen: interpersonal skills, the ability to collaborate, thinking skills und literary/ communication skills. An diesen Outcomes orientiert sich die Lehrstrategie. Um diese umzusetzen wählt er einen ganzheitlichen Ansatz, den er als „Ecosystem-Approach“ beschreibt, der alle beteiligten Ebenen und Einrichtungen einbezieht.
Will man Innovationen in der akademischen Lehre vorantreiben, muss das gesamte System der Hochschule in allen seinen Ebenen mitbedacht werden. Technologie und digitale Medien sind hier die Instrumente, mit denen diese Ziele umgesetzt werden. Nur wenige Stunden später, können wir auch hier beim Besuch des Ministry of Education, Singapur feststellen, dass diese Strategie optimal auf den Rahmen der übergeordnete Ziele der Regierung abgestimmt sind.
Die Kultur und das System in Singapur bieten die Voraussetzungen eines Top-down-Ansatzes. In Hong Kong erleben wir übrigens eine andere Struktur, die der unseren mehr gleicht. Hier sind die Hochschulen autonom. Besonderheit: Sie erhalten Fördermittel durch ein Gremium, dass zwischen Regierung und Universitäten eine Art Vermittler- bzw. Verteilerrolle einnimmt, das Hong Kong Universities Grants Committee.
Betrachtet aus der Sicht der Hochschul- und Strategieentwicklung erscheint ein klarer Vorteil offensichtlich: Durch die klaren Vorgaben der Regierungen ergibt sich ein Rahmen, der als Leitlinie funktioniert und widersprüchliche oder konkurrierende Ansätze innerhalb und zwischen der einzelnen Ebenen verhindert.
Es wird zum Problem bei der Umsetzung von Strategien, wenn auf den verschiedenen beteiligten Ebenen unterschiedliche Ziele und Strategien aufeinander treffen. Bezogen auf die Situation in Deutschland könnte es im schlechtesten Fall so aussehen, dass der Bund eine andere Strategie verfolgt als das Land, als die einzelne Hochschule als der einzelne Lehrende. Diese stehen damit in Konkurrenz zu einander und behindern sich*. Anders die Situation in Malaysia und Singapur, wo die Regierungen die übergeordnete Strategie Top-down vorgeben, umfangreiche Mittel für die Umsetzung bereitstellen und die Hochschulen (so gesehen sehr deutlich in der UTM und der Nanyang University) ihre Ziele mit diesen auf eine Linie bringen.
Die Ziele der Hochschulen werden damit in einem „Strategischen Alignment“ mit den übergeordneten Zielen der Regierung angeordnet. Digitalisierung hat in diesem Prozess die Rolle des Instruments, mit dem die Ziele erreichbar werden. Die Hochschulen passen ihr spezifisches Profil dem Framework der jeweiligen Regierungsstrategie an und innerhalb dieses Rahmens, stellen sie sich auf.
Ob von oben gesteuert oder Bottom-up. Wir dürfen bei der Diskussion um die Entwicklung von Strategien nicht aus den Augen verlieren, dass auch sie nur der Weg sind, um bestimmte Ziele zu erreichen. Wir haben in Deutschland (noch) keine Regierungsstrategie für die Digitalisierung der Hochschulen. Wir leben auch nicht in einer Kultur, einem System, in dem die Regierung die Zielsetzung anordnet. Unsere Rahmenbedingungen aber, bieten die Chance eines diskursiven Prozesses, bei dem individuelle Zielvorstellungen in die Definition eines übergeordneten Leitbilds führen können. An diesem gemeinsamen Leitbild sollten wir (weiter-)arbeiten, damit im nächsten Schritt wiederum alle Ebenen Länder, Hochschulen... mit ihren Maßnahmen und Initiativen sich strategisch daran ausrichten können. Also: packen wir´s an :-)
*Michael Kerres hat in einigen Vorträgen -auch im Rahmen des HFD- auf diese Problematik hingewiesen. Siehe dazu z.B. hier: “E-Learning vs. Digitalisierung der Bildung” in Handbuch E-Learning, 2016
Ich habe es mir fast gedacht. Jetzt werden Berichte der Asien-Delegation gepostet, die uns mitteilen, was es dort alles Tolles gibt und bei uns anscheinend nicht. Man findet ein "Centre for Teaching and Learning" an der TU Malaysia mit dem Auftrag, die Ziele der Hochschule mittels innovativer Lehr-Lernszenarien umzusetzen. Man sagt "Technologie und digitale Medien sind <hier : Malaysia> die Instrumente, mit denen diese Ziele umgesetzt werden"; man teilt uns mit, dass in Singapur "ein ganzheitlicher Ansatz“, der ‚Ecosystem-Approach‘ die Lehrstrategie beschreibt, uvam.
Warum in die Ferne schweifen?
Es gibt auch in Deutschland "Top-Down" Strategien (FH Lübeck, TUM, um mal zwei zu nennen), es gibt sehr viele "Sub-Systeme", die unglaublich viel umsetzen (HfD Thesenpapier, These #13) und bei aller Bescheidenheit, es gibt hervorragende Konzepte für die Digitalisierung einzelner Fächer. Ich kann zwar nur für mein Fach (Anglistik/LInguistik) sprechen, aber mit unseren digitalen Präsenzkonzepten vom Inverted Classroom Mastery Model über daraus abgeleitete 2-in-1 Formate und FLOCKs, sowie unseren Online-Konzepten bis hin zu den pMOOCs (mit z.Zt. übrigens ca. 60 Benutzern aus Malaysia und Singapur) haben wir durchaus Einiges zu bieten.
Für mein Fach habe ich aus den besuchten asiatischen Ländern noch nichts Substanzielles in Sachen digitaler Lehr- und Lernformate gehört. Im Gegenteil: mehr als 6.000 Downloads unserer Lehrvideos aus den besuchten Ländern allein im April zeigen, dass dort Bedarf besteht, der vor Ort offenbar nicht gedeckt werden kann, den wir aber seit einiger Zeit bereits erfüllen.
Wir müssen uns in Deutschland beileibe nicht verstecken. Wir müssen nur unsere Leuchttürme besser koordinieren und in die Breite tragen - und das bundesweit. Und - vielleicht noch wichtiger - wir müssen die Barrieren in den Köpfen einreißen, sonst werden auch alle OER-Bemühungen bei uns verpuffen.
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