Im Dezember 2019 wurde die Toepfer Stiftung im Rahmen des Qualitätspakt-Lehre-Nachfolgeprogramms „Innovation in der Hochschullehre“ mit dem Aufbau einer Organisationseinheit für die Förderung der Hochschullehre beauftragt. Der Aufbau beginnt mit dem Einholen vielfältiger Perspektiven. Nachdem Markus Deimann seine Eindrücke bereits in unserem Blog präsentiert hat, berichtet Marcus Lamprecht, der zum ersten Jahrgang der #DigitalChangeMaker gehörte, nun von seinen Erfahrungen.
Innovation in der Hochschullehre wird künftig über die neue Organisationseinheit unter Leitung der Toepfer Stiftung gefördert. Bild:[https://unsplash.com/photos/cYUMaCqMYvI Jungwoo Hong]
Die Agenda beim Think Tank Workshop, die aufs Zuhören ausgerichtet ist. Bild: Marcus Lamprecht
„Wir hören erst einmal zu“, formuliert die Toepfer Stiftung ihren eigenen Anspruch an den Prozess des Aufbaus einer Organisationseinheit (OE) für die Förderung der Lehre. Dieses Selbstverständnis spiegelte sich auch im Verlauf des ersten Think Tanks am 6. Februar in Köln wider. Dies zeigte sich schon in der sehr offen gestalteten Agenda der Zusammenkunft.
So hatte keiner der Tagesordnungspunkte eine vorgegebene inhaltliche Ausrichtung. Uns als Teilnehmer*innen war es dadurch möglich die Förderung von Lehre außerhalb bestehender Förderparadigmen zu denken. Stattdessen konnten Ideen entstehen, unter welchen Rahmenbedingungen und mit welchem Förderverfahren die neue OE einen wirklichen Mehrwert für gute Lehre darstellen könnte. Diese Inspirationen, so erklärte es die Geschäftsführerin der Toepfer Stiftung, Antje Mansbrügge, sollen bei der Konzeption der OE berücksichtigt werden. „Wir haben keine Blaupause für die Förderung in der Schublade“, erklärte sie.
Trotzdem erwies es sich als gar nicht so leicht, bekannte Verfahren auszublenden. So diskutierten wir in der ersten Gruppenphase – ich war in einer Gruppe zu Förderverfahren - zunächst, wie ein zweistufiges Verfahren möglichst schlank und schnell gestaltetet werden könne, bis wir uns fragten: Warum soll es überhaupt zweistufig sein?
Inspiriert von diesem Ausbrechen aus bekannten Projektförderungen, überlegten wir offen weiter, welche weiteren Verbesserungen wünschenswert wären. Während beim Vorläufer von „Innovation in der Hochschullehre“, dem Qualitätspakt Lehre, die Förderperioden feststanden und beantragte Projekte in feststehende Projektlaufzeiten gegossen werden mussten, wollen wir hier vom Projekt ausgehend denken und individuell zu beantragende Laufzeiten ermöglichen. Da die Organisationseinheit selbst kein Projekt, sondern auf Dauer ausgelegt ist, kann sie diese Flexibilität bieten.
Schöner Scheitern. Bild: Marcus Lamprecht
Flexibilität bedeutet auch ein Scheitern zu ermöglichen. Aktuell folgt häufig auf die Prosa des Antragstextes der utopische Projektbericht, weil ja kein Projekt jemals nicht erfolgreich gewesen ist und entsprechend auch keine Misserfolge dokumentiert werden können. Tatsächlich innovativ handeln zu können bedeutet aber auch, Dinge erproben zu können, Wagnisse einzugehen und dabei festzustellen, dass ein anderer Weg als der ursprünglich eingeschlagene vielleicht erfolgversprechender wäre.
Deshalb habe ich mich sehr gefreut, in der zweiten Gruppenphase mit David Boehringer (Universität Stuttgart) und Sascha Soelau (Bergische Universität Wuppertal) zu skizzieren, wie Förderverfahren gestaltet werden können, die Scheitern und Agilität ermöglichen. Scheitern auf diese Weise zu gestalten, ermöglicht eine konstruktive Perspektive darauf einzunehmen, im Projekt umzusteuern und aus ehrlichen Dokumentationen lernen zu können. Wenn diese Erfahrungen im Rahmen eines durch die OE gestalteten langfristigen Austausches miteinander geteilt werden, kann auch Transfer gestaltet und voneinander gelernt werden. Die QPL-Fachtagungen haben in der Vergangenheit punktuell bereits gute Anlässe zum Austausch geboten. Auch wenn die OE keine DFG für die Lehre werden kann, so kann – und will – sie dauerhaft Raum für ebenjenen Austausch bieten.
Durch die Think Tanks begann der Aufbau der neuen OE hinsichtlich der Beteiligung von Studierenden vielversprechend. In Köln waren wir mit vier Studierenden unter den 31 Teilnehmer*innen vertreten. Da es insgesamt mehr Teilnahmeinteressierte als offene Plätze gab, habe die Toepfer Stiftung zunächst bei den Studierenden ein Häkchen gesetzt, eröffnete Antje Mansbrügge in ihren Begrüßungsworten. Der Stiftung war es wichtig bei allen vier Veranstaltungen eine studentische Beteiligung zu haben.
Für uns als Studierendenvertreter*innen ist aber auch wichtig, dass in allen Projektphasen und auf allen Ebenen eine studentische Beteiligung gewährleistet ist. Die Think Tanks bieten de facto vielen Studierenden eine niedrigschwellige Partizipationsmöglichkeit auf Augenhöhe. Das Auswahlverfahren zu den Think Tanks war allerdings selbstselektiv und hat viele potenziell Interessierte nicht erreicht. Um das zu verbessern, wird es auch notwendig sein, demokratische Interessenvertretungen, wie den fzs (freier zusammenschluss von student*innenschaften) und den BAS (Bundesverband ausländischer Studierender) einzubeziehen. Die Offenheit der Veranstaltungen gibt allerdings Anlass zu vorsichtigem Optimismus, dass es der OE gelingen wird vielfältige Perspektive von für die Lehre Engagierten und an guter Lehre Interessierten einzubeziehen.
Lehre braucht nicht nur gute Verfahren, sondern bedarf auch einer Vision, wie gute Lehre gelingen kann. Obwohl beim Applausometer zur Wahl eines Slogans für die OE knapp unterlegen, überschrieb Markus Deimann seinen Bericht mit „Visionäre für die Lehre“. Doch während die Sloganwahl eher einen unterhaltsamen Schlusspunkt einer sehr inhaltsreichen Veranstaltung bot, wurde über Visionen für die Lehre ernsthaft diskutiert. Wenn es nach den Anwesenden geht, könnte die vielbeschworene Einheit von Lehre und Forschung bald Realität werden. Ein wenig greifbarer schien ein Wunsch, der mir persönlich sehr gut gefiel: Lehre soll zum Flurgespräch werden. Mit dem Think Tank in Köln hat die Toepfer Stiftung das Gespräch jedenfalls begonnen. Dabei wurde seitens der Stiftung gar nicht viel gesprochen, aber sie wollte ja auch zuhören. Wie viel des Gehörten auch in der neuen OE sichtbar werden wird, bleibt abzuwarten.
Zuhören - super. Förderverfahren neu denken - super. Ausprobieren, Scheitern und mehr Ehrlichkeit in den Berichten zulassen - super. Agilität und Austausch ermöglichen - auch super. Studierende einbeziehen - ebenfalls super. Aber warum (ernsthafte Frage) wird die "Einheit von Lehre und Forschung" als so ideal empfunden? Was ist daran so erstrebenswert und wie soll das der Qualität der Lehre zuträglich sein (ebenfalls ernsthafte Frage)? - Es mag im Fußball sehr gute Stürmer und sehr gute Torhüter geben. Durch spezielles Training können beide jeweils ihre Fähigkeiten enorm verbessern. "Spezialisierung" trägt in allen Lebensbereichen zu einer Qualitätsverbesserung bei. Gerade digitale Unternehmungen sind erfolgreich, weil sie sich einen kleinen Teil der Wertschöpfungskette herauspicken und diesen besser, effizienter, kundenfreundlicher, kostengünstiger etc. als die etablierten Anbieter, nun ja, anbieten. Warum soll Spezialisierung aber ausgerechnet im Bereich der Hochschullehre andere Wirkungen entfalten? Warum soll die Lehre besser werden, wenn sie an die Forschung gekoppelt bleibt? Woher kommt diese "vielbeschworene Einheit" von Forschung und Lehre? Und wer wünscht sich ernsthaft, dass das Realität wird? Hochschulen brauchen gute Forschende und gute Lehrende, ja unbedingt, aber es ist - vor dem Hintergrund der Qualitätsverbesserung - absolut unlogisch, dass das ein und dieselben Personen sein müssen.
Die Frage, ob eine Einheit von Forschung und Lehre wünschenswert sei, bzw., was darunter überhaupt zu verstehen ist, wurde im Rahmen des Think Tanks nicht diskutiert. Ich glaube, dass der Fußballvergleich noch einen weiteren Aspekt beinhaltet: Beide spielen in einem Team und wenn das Team nicht gut spielt, dann vielleicht, weil es sich nicht als Einheit versteht. Wenn die Einheit von Forschung und Lehre gefordert wird, nehme ich das häufig nicht mal zwangsläufig (wenn auch sicherlich nicht allzu selten impliziert) als Einheit innerhalb von Personen wahr, sondern auch als Wunsch nach anerkannter, wertgeschätzter Gleichrangigkeit.
Die Frage, inwieweit die Einheit von Forschung und Lehrenden eine Einheit von Forschenden und Lehrenden in persona sein muss, kann dabei durchaus gestellt und diskutiert werden.
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